Wenn der Frust hochkommt...

  • In Berlin gibt es seit einiger Zeit Kinderschiedsrichter, die u.a. die Heimspiele der eigenen E-Junioren leiten sollen.


    Ich will mal 1-2 real erlebte Situationen zuspitzen:

    Ein E-Jugend-Spiel wird von einem Kinder-SR geleitet, d.h. jeder weiß, dass der zum Heimverein gehört. Wie ich gerade bei frisch ausgebildeten SRn öfter beobachtet habe, tut sich der KSR ein bisschen schwer damit, Situationen abzupfeifen. Heim geht ordentlich zur Sache ohne dabei unfair zu spielen, aber es gibt eben auch das ein oder andere klare Foul, was der KSR weiterlaufen lässt. Halbzeit. Heim führt inzwischen deutlich, der Pate gibt dem KSR ein paar Tipps, worauf dieser in der 2.Halbzeit etwas kleinlicher pfeift. Unglücklicherweise hat Gast in der Pause von deren Trainer die Order bekommen, in den Zweikämpfen mehr dagegenzuhalten. Heim kann sich ein Zurückstecken angesichts der klaren Führung erlauben, woraufhin es sich ergibt, dass in der Mehrzahl Freistöße für Heim gegeben werden. Dann kommt es, wie es nach Murphys Gesetz immer kommt: Ein Verteidiger von Gast latscht dem Stürmer von Heim im Gästestrafraum deutlich auf den Fuß, der KSR pfeift und gibt Strafstoß. Der frustrierte Verteidiger kommentiert den Pfiff mit einem bis draußen deutlich hörbaren "Ach, du pfeifst doch eh immer nur für die!"


    Wie reagiert der Kinder-SR jetzt? :/

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Karten werden in Berlin von Anfang an gezeigt. Also theoretisch, weil praktisch wird in der G und F ohne SR gespielt, und wenn kein "richtiger" SR pfeift, hat der Ersatz selten Karten in der Tasche.


    Gelb finde ich schon mal gut. In der Praxis hat der KSR gar nicht reagiert, weil er der Meinung war, er hätte Rot wegen SR-Beleidigung zeigen müssen und das wollte er nicht.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Für mich bietet die Aussage in der Sache immer zwei Möglichkeiten:
    Ich werte das als Protest gegen meine Entscheidung --> :gelbe_karte: oder, wo möglich, auch Zeitstrafe.
    Ich werte das als Unterstellung von Parteilichkeit und damit Beleidigung --> :rote_karte:


    Die Nicht-Reaktion ist zwar menschlich verständlich, faktisch aber "Schiri von letzter Woche", da der Jungspund nun glaubt, er könne sich solche Sätze erlauben. Besser wäre es gewesen, wenn ich den Satz nicht ahnden will, auf das deutliche und klare Foul zu verweisen, d.h. die Sache schon aufzugreifen; holt der Spieler dann aber noch einmal auch nur zu tief Luft, geht es definitiv ohne ihn weiter.


    Übrigens finde ich den Kinder-SR an sich keine schlechte Sache, hat der doch wenigstens eine grundlegende Ausbildung - immer noch besser, als wenn, wie hier in der E-Jugend üblich, ein Trainer oder Papa pfeift, der oft nur Regelkenntnisse a la Sky-Reporter hat.

  • einiger Zeit Kinderschiedsrichter, die u.a. die Heimspiele der eigenen E-Junioren leiten sollen.

    Übrigens hat es einen Grund, warum die Altersgrenze bei 14 Jahren liegt und der hat nichts mit Fussball oder der kindlichen Entwicklung zu tun.


    14 Jahre ist die Grenze für "Dienstverhältnisse" zumal der Jugendliche/das Kind als Schiedsrichter Urkunden erstellt.

  • Der Berliner Fußball-Verband schließt persönliche Strafen in seiner Ausschreibung für Kinder-Schiedsrichter allerdings kategorisch aus, wenn es sich nicht um Tätlichkeiten bzw. Beleidigungen handelt.

    Zitat

    Strafen sind nur bei gravierenden Vergehen (Tätlichkeiten und Beleidigungen) vorgesehen


    Interessant wäre natürlich, wie man das den Kinderschiedsrichtern vermittelt und ihnen lehrt, ohne persönliche Strafen solchen Unsportlichkeiten, wie der von Ente beschriebenen, zu begegnen.


    Eine einmalige Äußerung eines Kindes à la "Du pfeifst doch eh nur für die" halte ich indes nicht für feldverweiswürdig. Das ist eine unüberlegte Trotzreaktion des Kindes, die in der Natur desselben liegen. Du wirst auch keine Wesensveränderung durch den Feldverweis erreichen. Diese Trotzgeschichten werden sich sukzessiv abstellen, wenn der Spieler ein wenig älter wird. Ältere Schiedsrichter sollten daher diese Äußerung mit dem Kind vis-a-vis besprechen und mit einer Ermahnung auskommen. In der Folge ist es auch noch ein adäquates Mittel, im Anschluss an das Spiel den Trainer oder Verantwortlichen mit der Äußerung zu konfrontieren. Dessen ungeachtet sollten junge bzw. Kinderschiedsrichter hier ggf. auf die Verwarnung oder die 5-Minuten-Zeitstrafe (falls vorhanden) zurückgreifen.


    Die Altersgrenze in Sachsen liegt bei 12 Jahren für den regulären Schiedsrichterlehrgang, bei Bestehen einer gewissen Grundreife bei dem jungen Kameraden ist das durchaus möglich. Zum Großteil werden diese SR hier in Leipzig auch in der D-Jugend eingesetzt, da wir nur in drei von zwölf E-Junioren Spielklassen mit Schiedsrichtern spielen (der Rest spielt ein Fair-Play-Konzept ohne Schiedsrichter). Die G/F-Junioren spielen gänzlich ohne Schiedsrichter.

    :gelbe_karte:MY WAY FAIR PLAY:rote_karte: | "Nicht ganz sauber, nicht ganz fein - aber es muss ja nicht gleich ein Strafstoß sein!" (Lutz-Michael Fröhlich)

  • Der Berliner Fußball-Verband schließt persönliche Strafen in seiner Ausschreibung für Kinder-Schiedsrichter allerdings kategorisch aus, wenn es sich nicht um Tätlichkeiten bzw. Beleidigungen handelt.

    Das hatte ich noch gar nicht gelesen und erklärt, warum der KSR keine Gelbe Karte in Betracht gezogen hat. Ich wollte aber ursprünglich auf einen anderen Punkt hinaus: Wie seht ihr das, dass der KSR von vornherein kein "Unparteiischer" ist? Ich tu mich da als Erwachsener schwer, weil die eine Mannschaft in kritischen Situationen erwartet, dass ich "für uns" pfeife, und die andere grundsätzlich, dass ich "für die" entscheide. Und das ganz unabhängig davon, ob ich tatsächlich völlig neutral pfeifen kann.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Markus Merk hat doch auch mal gesagt: "Egal wie lange man pfeift und wie erfahren man ist, die Sympathie zum eigenen Verein kann man nicht gänzlich ausblenden."


    Das Zitat passt gut auch auf die Thematik hier

    "Ich habe einmal die Alkoholiker aus der Mannschaft gegen die Antialkoholiker im Training spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1, da habe ich gesagt: 'Mir ist es egal, sauftas weiter!' "

    - Max Merkel:trink:

  • Wie seht ihr das, dass der KSR von vornherein kein "Unparteiischer" ist? Ich tu mich da als Erwachsener schwer, weil die eine Mannschaft in kritischen Situationen erwartet, dass ich "für uns" pfeife, und die andere grundsätzlich, dass ich "für die" entscheide.

    Seit längerem wird bei uns im HFV der gesamte Jugendbereich bis einschliesslich der B-Jugend durch vereinseigene Schiris besetzt. Nur die Leistungsklassen (also die Staffeln ab C Jugend die mit Aufsteigsrecht spielen) werden mit neutralen SR angesetzt.


    Die Erfahrung zeigt, das dies überwiegend völlig geräuschlos Funktioniert. Natürlich ist jedem bewusst, das die Vereinsbrille sich -gerade auch bei Jugendlichen SR- nur schlecht ausblenden lässt.

    Beschwerden wurden an mich bisher nur ein einziges Mal durch einen unserer Trainer Herangetragen:


    Seinen Kommentar auf unserer Jugendsitzung: "Unsere [Anm.: vereinsinterne SR] Schiries pfeiffen viel zu viel gegen uns" konterte ich mit: "Dann machen meine Jungs ja alles richtig"

  • Wie seht ihr das, dass der KSR von vornherein kein "Unparteiischer" ist?

    Das ist ein guter Anfang für den späteren Lebensweg von "Kinder-Schiedsrichtern", mit Situationen objektiv umzugehen und zu einer neutralen Entscheidung kommen.


    In unseren Metro-Stadt-Bezirk (80% von Verband) finden wöchentlich mehr als 1.000 Jugendspiele statt. Alle Schiedsrichter und Assistenten für die Heimspiele werden von den Heimvereinen gestellt. Ausnahmen sind Spiele der höchsten beiden Spielklassen, wo die Anzahl der beteiligten Manschaften sehr begrenzt ist (etwa 160 Spiele die nicht in den 1,000 aufgeführt sind). Plätze und Spiele werden Montags angegeben (Wetter bedingt). Schiedsrichter erfahren frühestens Mittwochabend wo sie am Wochenende tätig sein werden.


    Bei der Anzahl von Spielen und wenigen Tagen biz zum Wochenende, ist es unmöglich, "neutrale" Schiedsrichter zu finden. Ich bekomme meine Ansetzungen Freitagmorgen.

    Die 12-14-jährigen machen einen Kurzlehrgang von 5 Stunden, und nennen sich Kleinfeld-Schiedsrichter (tragen ein anderes Logo). Sie leiten Spiele bis zu U-10 auf Viertelfeld. Dort gibt es keine Karten, kein abseits, keine direkten Freistösse, und KEINE Tabelle.

    Fast alle Kleinfeldspiele haben Paten. Wir erklären ihnen nach den Spiel einen (höchstens zwei Punkte) worauf sie achten müssen (nichts negatives wie: "Du hast das Foul am Strafraum nicht gepfiffen", sondern: "hast du gesehen als Nr 8 am Strafraum hinfiel"?

    Danach erkläre ich was verbessert werden kann. Entweder war SR nicht in guter Position oder wusste nicht dass es ein Foulspiel war.


    12-14-jährige können auch einen Schiedsrichter Lehrgang absolvieren (Jungschiedsrichter), welcher sie zur Leitung der U-11 und U-12 auf halben Feld berechtigt; denn dort werden normale Regeln angewandt. Ausserdem werden diese Jungschiedsrichter auch als Assistenten bei den älteren Jahrgängen eingesetzt, zuerst Mädchen und U-13 danach allmählich auf älterer Ebene. Mit Erreichen des 15ten Lebensjahr können sie theoretisch auch Herrenspiele leiten.