Rote Karte oder Erklärung mit Gelb

  • Bitte gründlich lesen bevor kommentiert wird.


    Erstes Spiel der Fruuhlingssaison, U-13 Mädels Rot vs Blau, unterste Division. Die Mehrzahl von Blau kickten zum ersten Mal einen Ball. Ihre Trainerin, eine Spielermutti (Fussballkenntniss nicht vorhanden), liess die 19 Mädchen aufs Tor schiessen, ein Ball war im Teambesitz.


    Beim Heimverein Rot wurde aufgewärmt, die Hälfte der Spieler trug Leibchen, ein halbes Dutzend Bälle war vorhanden.


    Vom angesetzten Schiedsrichter war 10 Minuten nach offiziellen Beginn noch immer nichts zu sehen (es regnete in Strömen, nichts Ungewöhnliches in unserer Region).


    Ich sollte als Mentor fungieren. Auf Drängen beider Teams (sie wollten in diesen Sauwetter unbedingt spielen) wurde ich überredet, das Spiel über 2x35 Minuten zu leiten. Glücklicherweise war meine SR-Ausrüstung im Auto. Das Spiel wurde dann 25 Minuten zu spät angepfiffen.


    Nach wenigen Minuten Spielzeit war klar. Rot war haushoch überlegen, wovon deren 4 Tore in den ersten 10 Minuten zeugten. Darauf liess es der Trainer von Rot langsam angehen (obwohl Kinder in den Alter immer Tore schiessen wollen). Der Ball wurde nun hin und her, auch nach hinten gepasst (wie Deutschland bei der WM).


    Die Auswechselspieler von Rot trugen Leibchen und warteten an der Mttellinie auf ihren Einsatz. Im Gegensatz zu Blau wo alle 8 Auswechselspieler zur selben Zeit aufs Spielfeld rannten (allerdings musste ich der Trainerin von Blau zugute halten, dass sie mir Bescheid sagte, wenn sie auswechseln wollte).


    Es ging 5:0 in die Pause. Mit Start der 2. Halbzeit hatte Blau umgestellt. Ein grosses, stabiles jedoch ungelenkiges Mädchen, Nr 4, die zum ersten Mal ein Spiel bestritt, ging in die Innenverteidigung. Sie war verantwortlich für Abstösse, die mit Picke (oder Schuhspitze) ausgeführt wurden. Der Ball landete dann nahe den Mittelkreis. (Hier muss gesagt werden, dass es bei U-13 eine "Retreat Line" gibt). Sie wird ein Drittel von der eigenen Torlinie angezeigt. Grund: Alle Gegenspieler stehen ausserhalb der Retreat Line. Torwart spielt den Ball zum Verteiger. Erst wenn Verteidiger den Ball berührt, dürfen die Gegenspieler die Retreat Line überqueren.


    Mitte de 2. Halbzeit stand es 6:0. Die quirlige und schnelle Mittelstürmerin von Rot ergatterte den Ball gerade ausserhalb von Blaus Mittelkreis und rannte aufs Tor, der Ball war vollkommen unter ihrer Kontrolle. Einzig und allein Blau Nr 4 konnte den Lauf aufhalten.


    Nr 4 lief aus der linken Innenverteidiger Position parallel, jedoch 2 m ausserhalb der 16-Linie, auf Stürmerin Rot zu ... und wegen ihrer Ungeschicklichkeit kollidierte mit Rot, die zu Fall kam (aber unverletzt blieb). Nr 4 entschuldigte sich sofort und fragte Spieler Rot ob sie ok sei.

    Ich pfiff, kümmerte mich um Rote Spielerin, der Trainer brauchte keine Hilfe leisten.


    Technisch gesehen hätte es nun ROT für Nr 4 geben müssen.


    Zeigte ich nicht, sonder sprach zu der jungen Dame. Auf meine Frage, ob Stürmerin Rot ein Tor erzielt hätte, wäre sie nicht umgerannt worden, antwortete Nr 4 mit JA. Dann erklärte ich Nr 4, dass bei solch einer Situation normalerweise die rote Karte gezeigt werden muss, allerdings bekommst du die gelbe Karte (was kaum Nachspiele hat). Sie sollte demnächst auch vorsichtiger sein und einen mehr kontrollieten Lauf absolvieren. (Du bist grösser und viel kräftiger als alle anderen Spieler.)


    Das Spiel wurde weiter geführt mit Direkten Freistoss aus 18 m ... und nein, es gab keine Mauer – weil die Mädels in Blau so etwas nie trainiert hatten. Ausserdem passte Rot den Ball zurück ins Mittelfeld.


    Einer meiner Gründe warum es kein Rot gab! Es ist schwierig bestimmte Mädchen (oder Jungen) dahin zu bringen, dass sie sich einen Verein anschliessen und überhaupt Sport treiben.


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass Nr 4 bei einer roten Karte das Fussballspielen aufgegeben hätte.

  • Nun, natürlich ist das in deiner Situation gut gegangen. Aber wenn ich auf dem Feld Rot zeigen muss, zeige ich Rot. Egal ob Minute 1, Minute 32 oder Minute 90.

    Ob der Spieler / die Spielerin deswegen die Lust am Sport verliert ist mir egal. Sollte ich nicht mehr nach den Regeln pfeifen dürfen, weil ein Spieler vor Wochen ein Elternteil verloren hat, der Spieler eine schwere Kindheit hatte oder weil der Spieler irgendeine Krankheit hat, dann verliere ich den Spaß am Hobby. Und ich bin mir sicher, dass es mehr Spieler als Schiedsrichter gibt.

  • Technisch gesehen hätte es nun ROT für Nr 4 geben müssen.

    DieMacke you name it! ;)

    --> damit ist doch das Thema schon geklärt.. :rote_karte: ist hier die einzig korrekte Entscheidung!


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass Nr 4 bei einer roten Karte das Fussballspielen aufgegeben hätte.

    so what?? Wir sind keine Coaches o.ä. und uns soll, ja ich gehe sogar so weit zu sagen MUSS es egal sein, ob/was ein Spieler nach einer Entscheidung persönlich für Konsequenzen zieht, das ist nicht unsere Baustelle!

  • Sorry DieMacke, aber in einem anderen Thema erläuterst du wie wichtig es doch wäre, sich an die vorgegebenen Regeln zu halten und hier erzählst du uns, dass du eine regeltechnisch 120%ige rote Karte nicht gegeben hast.


    Ich kann deine Intention dahinter zwar nachvollziehen und verstehen, aber dennoch handelt es sich hier um einen klaren Fehler.

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Was war denn am Ende ?

    Ich meine das hört sich ganz so danach an, dass da irgendwas falsch gelaufen ist oder ?


    Ich spiele auch schon seit Jahren Fußball und muss sagen, dass sowas halt passiert. Da muss man schauen, dass man dann professionell damit umgeht.


    Habe mich aber umgesehen nach mehr Chancen für mich im Bereich Fußball und habe dabei bei http://jomi-sportscholarships.de/sportstipendium-usa etwas zum Stipendium in den USA gelesen. Da werde ich es einfach mal versuchen.

    Habe auch gehört, dass der Fußball in den USA etwas strenger genommen wird - bin mal gespannt wie es dann auch in Wirklichkeit ist.


    Wie sieht es bei dir aus ?

  • Ich hätte es genau so gemacht. Kein "Rot" in diesem Spiel.


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    "Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus!"
    (Gerd Rubenbauer, als der FIFA-Beauftragte am Spielfeldrand eine Minute Nachspielzeit anzeigte)

  • Lass es mich mal so sagen: Menschlich verständlich, aber schiedsrichtermoralisch verwerflich - und ein Klassiker von "Der Schiedsrichter von letzter Woche".


    Es stand nicht nur Team Blau, sondern auch Team Rot auf dem Platz. Die nehmen jetzt mit, dass es keine Rote Karte gibt, wenn der Spielstand nur deutlich genug ist - oder eben auch ohne diese Einschränkung, weil die von der Ansprache nichts mitbekommen haben. Das Ende vom Lied: Im nächsten Spiel werden sie dieselbe Behandlung erwarten, gleich ob für sich oder ihren Gegner - und wenn der Schiri dann alles regeltechnisch richtig macht, ist er der Depp.


    Uns hat nicht zu interessieren, wer wie gut spielt oder wer womöglich aufhört. So etwas kann ich berücksichtigen, wenn eine Situationsbeurteilung sich um "Vorsatz" oder eingeschränkt auch um übertriebene Härte o.ä. handelt, da jemand, der es eben nicht besser kann, seltener vorsätzlich handeln dürfte.

  • Der Ermessensspielraum liegt darin, dass ich festlegen kann, was eine klare Torchance oder ein sicheres Tor ist. Und wenn ich in einer Situation partout keine Rote Karte ziehen will, dann muss ich begründen können, warum das gerade keine Notbremse gewesen ist. Und das schaffe ich auch, wenn ich ein bisschen clever bin. Aber sowie ich das Zauberwort "glasklare Torchance" in den Mund genommen habe, MUSS auch der rote Karton hinterherkommen...

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Ob der Spieler / die Spielerin deswegen die Lust am Sport verliert ist mir egal.

    Mir nicht, vor allen weil 12-jährige noch Kinder sind, und sie vorher noch nie Fussball gespielt hat.


    ist hier die einzig korrekte Entscheidung!

    Wir sind zugleich auch Erzieher, oder sollten es sein.


    .... Thema erläuterst du wie wichtig es doch wäre, sich an die vorgegebenen Regeln zu halten

    Wo und zu welchen Thema? Vielleicht vergleichst Du hier Äpfel mit Apfelsinen.

    Was war denn am Ende ?

    Ich sprach mit der "Trainerin" von Blau, erklärte ihr die Regel. Sie ist nur "Trainerin", weil niemand anders zur Verfügung stand. Die Vereinsrichtlinien sind, dass jedes Mitglied einer Manschaft angehört und spielen muss. Der Trainer von Rot wollte nicht mal Gelb sehen.

    Es stand nicht nur Team Blau, sondern auch Team Rot auf dem Platz.

    Wenn der Trainer von Team Rot seine Spieler davon zurück hält weitere Tore zu schiessen, weiss er von der Wichtigkeit dass Sport für Kinder wichtig ist und das Menschlice immer noch zählt.


    Uns hat nicht zu interessieren, wer wie gut spielt oder wer womöglich aufhört.

    Das kannst du bei den Profis, Erwachsenen, und bei Jugendlichen ab einen bestimmten Alter machen. Kinder sind eine andere Sache, vor allen wenn keine Absicht vorlag, was hier klar der Fall war.

  • Du hast doch im Freistoß-Thema erwähnt wie wichtig die Einhaltung der Regeln des IFAB / FIFA sind. Und hier schreibst du davon, dass du eine rote Karte nicht gibst, weil du Mitleid hattest.


    Wo ist denn dann die Grenze, bis wohin man auf einen solchen Platzverweis verzichten kann? 13 Jahre? 14 Jahre? Vielleicht verliert ja auch ein 19 jähriger die Lust am Fußball, wenn er eine rote Karte bekommt. Oder darf ein 9 jähriger einen Strafstoß wiederholen, weil er den Ball nicht richtig getroffen hat? Wo fängt das an und wo soll es aufhören?


    Wir sind Schiedsrichter und keine Erzieher.


    Wie von mir und den anderen schon erwähnt, ist die Entscheidung zwar menschlich verständlich - regeltechnisch aber eindeutig falsch. Und da gibt es kein Argument dagegen.

    Und wir als Schiedsrichter sind nun mal diejenigen, die dafür Sorgen müssen, dass Regeln eingehalten werden.

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Regeltechnisch habt ihr absolut Recht.


    Aber da gibt es ja noch den Spruch "Gnade vor Recht" - das passt m.E. sehr gut zur Schilderung des Spiels.


    Für ungeschickt halte ich die Frage "(...) ob Stürmerin Rot ein Tor erzielt hätte, wäre sie nicht umgerannt worden". Denn aufgrund der Antwort "ja" bringst Du Dich eigentlich selbst in die Zwangslage, "rot" zeigen zu müssen. Um regeltechnisch "einigermaßen sauber" zu bleiben, musst Du als SR aber zur Entscheidung kommen, es lag Deiner Auffassung nach keine "klare Torchancenverhinderung" vor, so dass - als Deine Tatsachenentscheidung - auch keine rote Karte erfolgt.


    Ich habe diverse Jugendspiele gehabt, in denen ich bestimmte Entscheidungen entweder direkt nach der Situation oder aber auch zur Halbzeitpause oder nach Spielende den Mannschaften samt Trainern erläutert habe, weil ich feststellte dass die die (entsprechende) Regel gar nicht kennen oder falsch auslegen. Ist zwar nicht meine Aufgabe, irgendjemandem die Regeln zu erklären, macht aber m.E. in solchen Situationen durchaus Sinn. Denn meistens bedankt sich die Mannschaft bzw. der Trainer danach und versteht den Pfiff (oder Nicht-Pfiff) im Gegensatz zu dem Gedanken "was der für einen Scheiß da gepfiffen hat..."


    Besser wäre also gewesen, der Spielerin/Trainerin/Mannschaft zu erklären, dass WENN der SR diese Situation als Verhindern einer klaren Torchance einstuft, eine rote Karte zwingend gewesen wäre (ggf. mit dem Hinweis, dass viele andere SR die Situation wahrscheinlich so eingeschätzt hätten).


    Meine Meinung!


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    "Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus!"
    (Gerd Rubenbauer, als der FIFA-Beauftragte am Spielfeldrand eine Minute Nachspielzeit anzeigte)

  • ... in denen ich bestimmte Entscheidungen entweder direkt nach der Situation oder aber auch zur Halbzeitpause oder nach Spielende den Mannschaften samt Trainern erläutert habe, weil ich feststellte dass die die (entsprechende) Regel gar nicht kennen oder falsch auslegen. Ist zwar nicht meine Aufgabe, ...

    Damit verdientst Du dir aber den Respekt vieler Trainer und auch Spieler ... und diese sind meistens auf Schiedsrichter nicht gut zu sprechen.


    Der Spielerin hatte ich sofort erklärt, dass es normalerweise eine rote Karte häte sein müssen. Deshalb auch meine Frage an sie, ob sie glaubte dass die Stürmerin (mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Tor erzielt hätte. Die Trainerin wurde am Spielende darüber aufgeklärt, ebenso wie der Trainer des Gegners (dem die Unbeholfenheit von Nr 4 sofort auffiel)

    Wir sind Schiedsrichter und keine Erzieher.

    Die Aufgaben des Schiedsrichters beinhalten automatisch einen Erziehungsbereich. Steht zwar nicht geschrieben; allerdings wird immer gelehrt "in the opnion of the referee".

  • Aber sag mir doch mal wo geschrieben steht, dass du nach Belieben Regeln ignorieren darfst?

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Regeltechnisch habt ihr absolut Recht.


    Ich habe diverse Jugendspiele gehabt, in denen ich bestimmte Entscheidungen entweder direkt nach der Situation oder aber auch zur Halbzeitpause oder nach Spielende den Mannschaften samt Trainern erläutert habe, weil ich feststellte dass die die (entsprechende) Regel gar nicht kennen oder falsch auslegen. Ist zwar nicht meine Aufgabe, irgendjemandem die Regeln zu erklären, macht aber m.E. in solchen Situationen durchaus Sinn. Denn meistens bedankt sich die Mannschaft bzw. der Trainer danach und versteht den Pfiff (oder Nicht-Pfiff) im Gegensatz zu dem Gedanken "was der für einen Scheiß da gepfiffen hat..."

    Das hier zeigt für mich das ganze Dilemma von uns SR. Von uns wird verlangt, dass wir die Regeln kennen und auch anwenden, andererseits wird von uns verlangt, dass wenn einem die Regeln nicht passen, dass wir diese nach deren Gusto ändern. Das kann einfach nicht sein.


    Außerdem spinne ich jetzt mal rum: Der Stürmer, der gefoult wurde, dessen Gegenspieler eigentlich mit Rot runter muss, aber wir lassen ihn auf den Feld, macht im nächsten Spiel auch eine Notbremse, die zum Ausgleich führt. Hier diskutiert keiner über die Rote Karte. D.h. der Stürmer bekommt für ein und das selbe Vergehen die härtere Strafe. Der Junge versteht doch die Welt nicht mehr und hört auf. Drehen wir das Spiel um: Der andere Stürmer wurde gefoult, und der "Täter" bekommt keine Rote Karte, obwohl mehr oder minder der Ausgleich verhindert hat. Wie fühlt der sich?


    Mit der Nummer haben wir Unfairness erzeugt, aus der wir nicht mehr rauskommen.

  • Ich möchte die Ausgangsfrage gar nicht bewerten, sondern nur auf die letzten Argumentationen eingehen.

    Aber sag mir doch mal wo geschrieben steht, dass du nach Belieben Regeln ignorieren darfst?


    Geschrieben steht das nirgendwo.

    Die Frage ist doch: Gibt es bestimmte Situationen, in denen es sinnvoll ist, sich über die geschriebenen Regeln hinweg zu setzen?


    Man kann (!) das für den konkreten Fall ja auch so sehen:

    In dieser Altersklasse hat der SR (wie auch alle anderen Beteiligten) die Aufgabe, den Kindern Freude an der Bewegung und am Fussball zu ermöglichen.

    Das beschriebene Foul passierte nicht durch Absicht, sondern durch Unvermögen, es wurde bestraft, also wissen auch die anderen Kinder, dass es ein Foul war.

    Da die gefoulte Mannschaft deutlich überlegen ist, tut niemandem die rote Karte weh und alle auf dem Platz akzeptieren die Entscheidung (vllt. hätte es sogar bei Rot Stress gegeben).

    -> Die Entscheidung, die rote Karte stecken zu lassen, wird nach dieser Argumentation viel eher der Aufgabe des SR und der gelebten Kultur gerecht, als sich an den bloßen Regeltext zu halten.


    Klar kann man argumentieren, dass Regelübertretungen immer falsch sind, weil Sie "Vertragsbruch" sind.

    Aber überall, wo es Regeln gibt, wird die gelebte Kultur davon abweichen: Regeln sind starrer, als die Lebensrealität. Regeln führen in Einzelfällen zu krasser Ungerechtigkeit. Vielleicht etabliert sich ein Gewohnheitsrecht, was durch alle akzeptiert wird.


    Das Ideal, dass sich alle buchstabengetreu an die Regeln halten, ist jedenfalls weder erreichbar, noch ein echtes Ideal.

    Regeln und ihre Befolgung sind sinnvoll, aber führen nicht immer zu guten Entscheidungen.

  • Ein netter, aber falscher Ansatz!


    Um den genannten Konflikten aus dem Weg zu gehen, gäbe es zwei Ansätze:
    1. Wir schaffen in den Regeln mehr Details, um die Sachverhalte zutreffender behandeln zu können.

    2. Wir geben dem Schiedsrichter mehr Entscheidungsspielraum.


    Beide Ansätze haben Stärken und Schwächen:

    Das beste Beispiel für Ansatz 1 ist das deutsche Steuerrecht, welches vor lauter Streben nach möglichst gerechter Besteuerung eines der kompliziertesten Rechtsgebiete weltweit geworden ist - und ob es sein Ziel erreicht hat, darf jetzt einfach mal offen bleiben. Wir hatten (und haben) solche Bestrebungen auch schon in den Fußballregeln (Trikot ist etwas mit Ärmeln, keine xxx Botschaften auf der Unterwäsche, wenn diese sichtbar werden könnten etc. pp.) - und bekanntlich hat der Regelgeber das auch bemerkt und bei der letzten großen Revision etliche Details gestrichen, weil diese eigentlich selbstverständlich sind und sie unter "im Sinne des Fußballs" zusammengefasst.

    Ansatz 2 wird in den Fußballregeln durchaus schon erprobt, da heißt es des Öfteren "nach Ansicht des Schiedsrichters" oder ähnlich. Aber wir kennen auch die Schattenseiten, da jeder Schiedsrichter seine eigenen Auffassungen hat und wir das Problem haben, die Regeln nicht mehr einheitlich anwenden zu können.


    Was bleibt ist aber: In diesem Fall gibt es keine Möglichkeit, von der Regel abzuweichen. Was möglich gewesen wäre - analog zum Ansatz 2 -, nämlich die Sache nicht als klare Torchance, sondern nur als aussichtsreichen Angriff zu klassifizieren (ob das im Sinne der einheitlichen Regelanwendung nicht auch problematisch wäre, müsste man separat überdenken), das wurde hier durch die Wortwahl ausgeschlossen. Jede andere Entscheidung als eine Rote Karte ist in diesem - auch durch taktisch unkluges Verhalten herbeigeführten - Fall nicht (mehr) möglich, die potenziellen Auswirkungen wurden mehrfach gleichermaßen deutlich wie zutreffend beschrieben.

  • Aber sag mir doch mal wo geschrieben steht, dass du nach Belieben Regeln ignorieren darfst?

    Es ist nicht nach Belieben. Kinder sollen Spass am Sport haben. Mit einen "heavy-handed approach" (kann es nicht mehr übersetzen) nimmt man den Kindern die Freude. 12-Jährige sind immer noch Kinder und können solch eine Strafe überhaupt nicht verstehen.


    Bei euch hat der Verein vielleicht 1 oder 2 Jugendmannschaften in der Altersklasse. Hier sieht es vollkommen anders aus. Der Verein für den ich schiedse (mittelgross), hat in der U-13 und U14 je 8 Mannschaften bei den Jungen und 6 bei den Mädchen. Die Teams sind gegliedert von top Spielern runter zu Anfängern. Wäre es eine der top U-13 gewesen, hätte es Rot gegeben. Dort wird schon oftmals gerufen: hey ref das ist gelb. Mit anderen Worten, sie wissen ziemlich gut was die Regeln sind.


    Bei den top Mannschaften wird etwas anders gepfiffen als bei Anfängern. Das selbe Phänomen kannst du auch jede Woche in Deutschland beobachten.

    nämlich die Sache nicht als klare Torchance, sondern nur als aussichtsreichen Angriff zu klassifizieren

    Ich verstehe deine Ansicht. Wenn ich nun schreibe "ein aussichtsreicher Angriff" spiegelt es nicht die Wahrheit wider und wäre für mcih eine billige Ausrede. Ich habe mit meinen Kommentar zum Denken und Diskutieren angeregt. Die selbe Entscheidung unter den selben Sachlage würde ich jedes Mal wieder treffen.

  • Also U-12 ist bei uns D-Jugend. Diese wird bei uns im Kreis und in anderen Regionen mit geprüften SR gepfiffen. Da erwarte ich schon, dass die Spieler die Regeln einigermaßen verstehen. Und ein Spieler sollte wissen, dass wenn er einen Spieler foult, ob Absicht oder nicht, und damit eine gute Chance zu nichte macht, dass die Folge darauf Rot ist.

    Und wenn wir darüber diskutieren, dass wir keinerlei Ermessensspielraum gibt, dann muss nun mal eine Rote Karte folgen. Ich gebe gerne zu, dass wenn ich mich bei einer "Notbremse" unwohl fühle, dann versuche ich den kleinsten Strohhalm zugreifen, wie nicht 100% Richtung Tor, die Positoion ist nicht 1a, vllt. kann noch der Gegenspieler, der etwas zurück liegt, noch eingreifen. Wenn diese Möglichkeit nicht gegeben ist, dann muss es halt so kommen.


    Außerdem finde ich, dass die Kinder auch lernen müssen, zu ihren Fehlern zu stehen und die Konsequenzen lernen. Ich weiß, das klingt hart, aber wenn sie Fehler machen, auch wenn natürlich unabsichtlich, dann wird es Konsequenzen. Ich sehe hier noch die Möglichkeit, mit dem Spieler und dem Trainer noch mal ein Gespräch über die Aktion zu führen und das zu klären.

  • Ich verstehe deine Ansicht. Wenn ich nun schreibe "ein aussichtsreicher Angriff" spiegelt es nicht die Wahrheit wider und wäre für mcih eine billige Ausrede.

    Nein, das ist keine billige Ausrede, sondern Regelauslegung im Sinne des Spiels. Für die Verhinderung einer glasklaren Torchance gibt es den FaD. Punkt. Keine andere Lösung ist korrekt. Also war das Foul entweder ein zwingender FaD oder es war FÜR DICH keine klare Torchance. Sag etwas in derart wie "Mein lieber Schwan. Wenn die Stürmerin einen halben Meter weiter links/rechts gelaufen WÄRE, dann WÄRE das eine glasklare Torchance gewesen, und dann HÄTTE ich Rot ziehen müssen, auch wenn das Foul nicht absichtlich war. Hier hast du GLÜCK gehabt, dass ich Gelb für ausreichend halte." Jeder wird verstehen was du meinst.


    Ich hatte schon einen ähnlichen Fall, wo beim Stand von 0:5 der zehnjährige Torwart eine Glanzparade raushaut und nach meinem Pfiff entsetzt feststellen musste, dass er 2 Meter außerhalb des Strafraums (der nur mit Hütchen an den Auslinien markiert war) lag. Da habe ich gleich laut gesagt, dass der Ball FÜR MICH nicht ins Tor gegangen wäre, und es deshalb nur Gelb und direkten Freistoß gibt. Da hatte niemand ein Problem mit, und trotzdem war alles regelkonform.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Da erwarte ich schon, dass die Spieler die Regeln einigermaßen verstehen.

    Ich hatte indirekt erwähnt, dass selbst die Trainerin keine Ahnung von Fussball oder den Regeln hatte.

    Anders sieht es bei der Top Mannschaft in der Altersklasse aus, welche 4 mal die Woche von bezahlten Trainern trainiert wird. Die folgenden zwei Teams trainieren 2 oder 3 mal die Woche. Die Spieler dieser Mannschaften kennen die Konsequenzen.