Handspiel: "Vergrößerung der Körperfläche"

  • Ein Junioren-Bundesliga-SR aus meinem Kreis erzählte mir, bei einem DFB-Lehrgang sei gesagt worden, den Ausdruck "Vergrößerung der Körperfläche" sollten sie ganz schnell aus ihrem Wortlaut streichen. Nun hat das ja bekanntermaßen wörtlich so nie im Regelheft gestanden und konnte ja auch lediglich als Kriterium für ein absichtliches Handspiel dienen.


    Aber war es denn nicht der DFB selbst, der diese Formulierung eingeführt hat? In meiner Erinnerung müsste das so ca. drei Jahre her sein und ich meine mich auch zu erinnern, das aus dem Mund von Hellmut Krug gehört zu haben. Kann sich zufällig noch jemand an die Einführung der "Vergrößerung der Körperfläche" erinnern oder kann sogar schriftliche Quellen nennen?

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Ich kann mir vorstellen, das dieser Satz im Rahmen einer Schulung genau so gefallen ist, aber völlig anders gemeint war.

    den Ausdruck "Vergrößerung der Körperfläche" sollten sie ganz schnell aus ihrem Wortlaut streichen.


    Gerade mal einen Screenshot aus meinem "Regelfundus" gemacht.


    Was ich immer wieder feststelle ist, das sowohl SR-Kollegen als auch - und vor allem die "Regelmuggels" beim Handspiel immer mit der Vergrößerung der Körperfläche argumentieren.


    Auf meine Frage: Wann ist Handspiel Strafbar? Wird nahezu immer als erstes mit der Vergrößerung der Körperfläche geantwortet.


    Das ist Humbug. Handspiel ist Strafbar wenn es absichtlich ist.


    Ich denke, das wollte man dem Kollegen beibringen als man ihm sagte, er möge diesen Satz aus seinem Wortschatz streichen.


    Übrigens gehört die "Vergrösserung der Körperfläche" zu meinem beliebtesten "Bierkistenwetten". Steht nämlich nicht einmal im Regelwerk.


    Die Absichtlichkeit des Handspiels ist ein Indizienbeweis.


    Weil nahezu jeder Regelmuggel an irgendeinem Kommentatorenmicro aber nur ein einziges (dieses eine) Indiz kennt wird es gebetsmühlenartig überall wiederholt und hat sich somit in das "kollektive Fussballregelgedächtnis" quasi eingebrannt.


    Demzufolge (@MiniKahn) muss man vermutlich nur lange genug suchen und man wird auch beim DFB (@ Stefan also auch bei " Hellmut Krug") mit einem derartigem Zitat irgendwo fündig.


    Ich versuche bei meinen Vereinsinternen Regelweiterbildungen auch immer diese "Körperfläche aus dem Regelgedächtnis zu entfernen", weil sie -in der Anwendung- zu gefährlichem Halbwissen führt.


    Mit der Argumentation der "Körperfläche" wird versucht eine Regel zu "Digitalisieren", die nicht digitalisiert werden kann.







    Beispiel dafür wie unsinnig es ist die "Vergrösserung der Körperfläche" als alleiniges Merkmal für die Absicht heranzuziehen



  • Das Kernproblem ist m.E., dass wir zu viel denken. Ich erinnere mich an eine Aussage unseres Lehrwartes, dass beim Sprung zu einem Kopfball zwar die Arme in Bewegung sind, es aber gerade nicht dem normalen Bewegungsablauf entspricht, wenn diese plötzlich über dem Kopf auftauchen . und natürlich vergrößert das die Körperfläche. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass nur die wenigsten Spieler die Absicht haben, den Ball mit der Hand über dem Kopf spielen zu wollen. Und nun wären wir bei des Pudels Kern: Im Strafrecht heißt das bedingter Vorsatz oder anders azsgedrückt, will man etwas zwar nicht, nimmt es aber billigend in Kauf, dass es passiert. Merkt Ihr etwas: Der Spieler mit dem Arm über dem Kopf will zwar damit den Baall wahrscheinlich gar nicht treffen, er nimmt es aber in Kauf ("Kann halt passieren") - und wir Schiedsrichter sind im Antrieb die Absicht zu suchen hier ganz schnell auf dem Irrweg, weil dsa doch keine Absicht war.


    Eigentlich muss die Frage daher lauten, ob der Spieler mit Absicht die Hand genutzt hat oder es ihm zumindest klar war oder hötte klar sein müssen, dass die Hand hier eine Rolle spielen wird - und der Rest ist eigentlich egal.

  • dass die Hand hier eine Rolle spielen wird

    Was verstehst du hier unter "eine Rolle spielen"?

    Dass der Ball die Hand berühren wird? Oder dass der Ball möglicherweise die Hand berühren wird? Oder noch etwas anderes?

    Das macht hier noch einen großen Unterschied, denke ich.

    Wie groß muss die Wahrscheinlichkeit des Handspiels sein, damit man dem Spieler "bedingten Vorsatz" unterstellen kann?


    Und um zum Hauptthema zurückzukommen: Die Wahrscheinlichkeit, den Ball mit der Hand zu spielen, dürfte in vielen Situationen mit "angelegtem Arm" oder "vergrößerter Körperfläche" identisch sein - die Armfläche bleibt schließlich gleich und die genaue Flugbahn des Balls lässt sich oft nicht erahnen.

    Der Unterschied ist, dass die "vergrößerte Körperfläche" dem Spieler eher einen Vorteil bringt. Dass er ein Motiv hat, kann man dann als Indiz für die Absicht heranziehen. Ob man das tun sollte, kann man natürlich diskutieren.

  • Manfred Ich habe schon öfters geschrieben, dass möglicherweise die deutsche Übersetzung von „deliberately“ mit „absichtlich“ nicht optimal ist. Man kann es auch mit „bewusst“ übersetzen.


    Damit wäre auch eine „bewusste Fahrlässigkeit“ strafbar und man muss keine „Absicht“ mehr unterstellen, wenn sich z. B. ein Spieler bewusst in der potentiellen Flugbahn des Balles befindet und mit „vergrößerter Körperfläche“ von selbigem am Arm getroffen wird. ;)


    Merci @Kimpembe für das aktuelle Beispiel :)

  • Man kann es auch mit „bewusst“ übersetzen.

    Genau da sehe ich auch ein Problem in den deutschen Regeln.
    "Bewusst" entspricht im Deutschen mehr als "Absichtlich" nämlich auch den von Manfred genannten " bedingter Vorsatz".

    Denn 99,9% der Handspiele die gepfiffen werden sind sicher nicht absichtlich, aber durchaus bewusst.

    Nehmen wir als Beispiel ich stelle mich einem Schuß in den Weg und breite meine Arme dabei aus.
    Nun trifft der Schuß einen Arm.
    Sicher kein "Absicht" in ganz strengem Sinne, aber sicher doch eine bewusste Handlung.

    Ich denke die Regelübersetzung sollte angepasst werden.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D