Fingerspitzengefühl ist nur ein anderes Wort dafür das mir die Regeln nicht passen?

  • Eine philosophische Betrachtung konsequenter Regelanwendung.....


    Regelmässig werde ich mit Themen zur Regelanwendung. Meist von Mannschaftsverantwortlichen meines Vereins oder von Mannschaftsverantwortlichen, die sich -mal wieder- über meine Schiries beschweren wollen.


    Diese Gespräche haben alle eines Gemeinsam, sie laufen immer nach dem selben "Ritual" ab.



    Ich hasse das Wort Fingerspitzengefühl. Bei mir entsteht der Eindruck, das es immer dann zur Anwendung kommt, wenn man mit Regeln nicht einverstanden ist weil die konsequente Regelanwendung in diesem Fall nicht so angewendet wird wie man es gerade wünscht.


    Nun kann man wahrlich darüber streiten ob die ein oder andere Regel im Fussball Regelwerk in Durchführungsbestimmungen oder sonstigen Regelwerken die wir zu beachten haben in bestimmten Fällen etwas kleinlich ist.


    Aber:

    Wir haben den Auftrag, den Regeln Geltung zu verschaffen, wir haben eine Vorbildfunktion. Wir haben die Aufgabe jeden so gleich wie möglich zu behandeln.


    Jetzt kann man ja Argumentieren - und ich nehme hierbei ein hypothetisches Beispiel - so lange ich beide Mannschaften gleich behandele kann ich die Regeln beugen oder abändern so fern ich das für beide Mannschaften gleich mache.

    Genau da entsteht jetzt das Problem, welches an folgendem -übertriebenem- Beispiel deutlich wird.


    Ein Gedankenspiel (nicht ganz Regelsauber): Erlaube ich bei einem Spiel mehr als die zulässigen Auswechselungen so entsteht keine Benachteiligung so lange ich dies bei beiden Mannschaften zulasse. Jedoch benachteilige ich alle anderen Mannschaften dieser Staffel, weil meine Kollegen eben nicht dieses "Fingerspitzengefühl" zeigen.


    Prinzip erkannt?

    Mit der Aufforderung "mal Fingerspitzengefühl" zu zeigen werden automatisch andere Mannschaften benachteilligt, auch wenn sie konkret an diesem Spiel gar nicht teilnehmen. Das Problem was dabei entsteht ist nämlich nicht "die Kleinigkeit" in diesem Spiel sondern dauerhaft eine unterschiedliche Regelauslegung innerhalb einer Staffel.

    Spielübergreifend entsteht dadurch eine Benachteiligung der Mannschaften die in der Saison den Schiri mit dem blauem Trikot hatten gegenüber denen die die Schiri mit dem Gelben Trikot vorlieb nehmen mussten.


    Mit etwas nachdenken wird jeder darauf kommen das diese "Bevorteilung" bereits bei Kleinigkeiten wie Stutzentapes und Unterziehshirts beginnt und bei der Notbremsenregel noch lange nicht aufhört,

  • Wie sagte der legendäre Manfred Amerell mal zu mir, wir pfefen nach der Regel, nicht nach Fingerspitzengefühl!

    Bei Deinem Gedankenspiel wird das sehr schnell Folgen haben, denn wenn mehr als die zulässigen Auswechselungen im Spielbericht stehen, wird ein sorgfältig arbeitender Staffelleiter sofort sein Veto einlegen, dieses dem Sportgericht melden und das Sportgericht ohne Fingerspitzengefühl ein Urteil fällen.

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Und ich wiederhole, dass es nur einen Umstand gibt, bei dem ich - dann aber ganz viel - Fingerspitzengefühl habe: Was meint Ihr, wie vorsichtig ich eine Karte aus der Trikot- oder hinteren Hosentasche ziehen kann?

  • Fingerspitzengefühl halte ich auch für einen unglücklichen Begriff.

    Aber abgesehen davon, kann man durchaus darüber philosophieren, ob "den Regeln Geltung verschaffen" wirklich die höchste Priorität für Schiedsrichter haben sollte. Eine alternative höchste Priorität könnte z.B. (gerade im Amateurbereich) sein, allen Beteiligten eine möglichst große Freude am Spiel zu ermöglichen (dazu gehört natürlich auch eine gerechte Behandlung, aber eben auch andere Aspekte).

    Letztlich läuft es auch auf die Frage hinaus, ob der Schiedsrichter eher ein Spielleiter oder ein Regelhüter ist.

    Dazu gibt es hier einen sehr guten Artikel, der diesen Unterschied herausarbeitet.

  • Dazu gibt es hier einen sehr guten Artikel, der diesen Unterschied herausarbeitet.

    Ja, klasse Beitrag.


    Leider nicht Zielführend, der Artikel beschreibt sehr gut das Management eines Spiels, lässt jedoch leider völlig ausser acht, das mehr als 99,9% aller Fussball Spiele eben nicht Bundesliga sind oder Medienwirksam verarbeitet werden.


    Was ich mit meinem Betrag beschreibe ist der ständig wiederkehrende Fall das irgendwelchen Mannschaftverantwortlichen Regeln nicht passen und der Schir die dann mit "Fingerspitzengefühl" anders auslegen soll.

    Das fängt bei den viel diskutierten "Stutzentapes" an, geht über die Schmuckregel und hat noch kein Ende beim Eintragen von Feldverweisen.


    So gut ich den von Dir gefundenen Artikel auch finde, diese Fälle werden nicht berücksichtigt



    Dies ist nur ein Fall von vielen ähnlichen und hat mit Spielmamagement überhaupt nix mehr zu tun.

  • Also die meisten SR bei uns brauchen kein Fingerspitzengefühl, sondern mehr Mut auch mal eine rote Karte zu zeigen, wenn's nötig ist.
    Oder dabei "zuverlässiger" gelbe Karten zu verteilen, die nicht so zufällig wirken.

    Ich will gar nicht das die SR irgendwelche Regeln missachten (zumal ich ja auch immer wieder gerne behaupte, dass ich die Regeln, auch dank euch, mittlerweile besser kenne, als so mancher SR bei uns), Ich hätte nur gern, dass sie sich auch an diese halten. Und nicht "nach Gefühl" auf indirekten oder direkten Freistoß entscheiden. Oder andere Kleinigkeiten wie, nach einer gegebenen Karte das Spiel auch wieder anzupfeifen.
    Oder andersrum nicht JEDEN Freistoß meinen anpfeifen zu müssen.

    Ja ich weiß.. Kreisliga C (ganz unten) hat auch nur Kreisliga C SR. ;)


    Nachtrag:
    Insgesamt bin ich aber übrigens recht zufrieden mit unseren SR.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Da gebe ich amfa Recht. Insbesondere das Blocken des Balles bei einem Freistoß in Strafraumnähe ohne Not geht mir mächtig auf die Nerven. Mittlerweile wird doch schon direkt nach dem Freistoßpfiff die Pfeife hochgehalten, um zu zeigen, dass der Ball blockiert ist. Warum? Weiß niemand.

    Und wem haben wir das zu verdanken? Unseren Spitzenleuten in den Profiligen. Kaum ein Freistoß, der mal sofort ausgeführt wird.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • Liegt auch daran, dass jeder ungestraft jeden Freistoß blockieren darf.
    Egal ob im Mittelfeld oder am Strafraum.
    Ist also gar nicht so einfach den direkt zu schießen.

    Hier geben auch die meisten SR keine Karte... warum? Macht man in der Bundesliga ja auch nicht.
    Und wenn der SR doch mal (beim dritten mal vorm Ball stellen), dann sofort kommentarlos die gelbe Karte zückt, sind die Spieler verwundert und behaupten "er hätte sie ja erst wegschicken müssen".
    (Mal bei einem Gegner erlebt.. der mir damit echt auf die Nerven ging)

    Regelkenntnis und Anwendung, das ist es was ich von den SR erwarte.
    Das MUSS aber in der BL anfangen.. sonst versteht es leider niemand.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Hier geben auch die meisten SR keine Karte... warum? Macht man in der Bundesliga ja auch nicht.
    Und wenn der SR doch mal (beim dritten mal vorm Ball stellen), dann sofort kommentarlos die gelbe Karte zückt, sind die Spieler verwundert und behaupten "er hätte sie ja erst wegschicken müssen".
    (Mal bei einem Gegner erlebt.. der mir damit echt auf die Nerven ging)

    Ja Klasse..... am Sonntag einen ähnlichen Fall erlebt.

    Mein Sohn Pfeift, ich bin auf SRA 1. Heim hatte ich in der letzten Saison insgesamt 5 mal und in jedem Spiel gab' s wegen der Freistoßblockiergeschichte Gelb.


    "Seit wann ist das denn nicht erlaubt," war der Kommentar, den ich quer übers Spielfeld gehört habe als sich wieder einmal jemand demonstrativ vor den Ball stellte und dafür Gelb bekam.

  • Regelkenntnis und Anwendung, das ist es was ich von den SR erwarte.
    Das MUSS aber in der BL anfangen.. sonst versteht es leider niemand.

    Ja, da hast Du haufenweise offene Türen gerade bei mir eingerannt.


    Aber auch auf der Verbandsebene wird viel Schindluder getrieben:

    Regeltenor:

    "Man muss doch nicht schon vor dem Anstoß ein Fass aufmachen weil......" (Also zieht das Gespann Laibchen an...)

    "Sowas Pfeifft man nicht, da gibts nur stress aufm Platz"


    Frag mich wie man Regeln durchsetzen will wenn man sowieso immer nur dem Stress aus dem Weg geht.

  • Im letzten Spiel der abgelaufenen Saison in der Rheinlandliga war ich als SRA dabei und wollte Mitte der zweiten Halbzeit dem SR einen Strafstoß verdeckt ( also nur mit Piepser ) anzeigen, nachdem dem Stürmer vom Verteidiger per Grätsche von den Beinen geholt wurde. Was der SR nicht sehen konnte, war dass nur der Stürmer getroffen wurde. Als ich bemerkte, dass was mit dem Piepser nicht stimmte, war es zu spät, noch die Fahne zu heben. Nach dem Spiel sagte der SR dass doch in dieser Situation niemand etwas wollte und sich ja eh nur der Stürmer beschwert hätte, also warum hier Hektik reinbringen?

    Natürlich hat er sich beschwert und zwar zu Recht. Und warum nicht noch mehr? Weil es außer mir und dem Verteidiger niemand gesehen hat. Und trotzdem war es ein Foul.

    Aber diese Haltung -warum hier pfeifen? Wollte doch keiner was!- zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die Ligen.

    Verstehen kann ich diese Haltung nicht.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • Wie gesagt das ist ja kein Problem der Amateurligen.
    Ich kann das sogar verstehen, dass die SR sich eher daran halten wie in der BL gepfiffen wird was das angeht.
    Die aller wenigsten kennen nun mal die Regeln.

    Wenn man da als SR anfängt richtig zu pfeifen, sieht das für die meisten falsch aus und man hat den Stress und "war der schlechteste Mann auf dem Platz".
    Solange also die Bundesliga nicht anfängt richtig pfeifen zu lassen, braucht man das weiter unten auch gar nicht versuchen.
    Sei es Freistöße blockieren oder beim Elfmeter zu früh reinlaufen*.

    (Oder man übertreibt es wie bei der WM.. wo man vorher jedem Beteiligten 100 mal sagt was sie nicht dürfen... es dann aber trotzdem durchgehen lässt)

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Also war ich doch nicht der einzige, dem das aufgefallen ist. Viel Gelaber und am Ende doch kein Pfiff. Die hätten besser den Mund gehalten und stattdessen einfach mal auf den Punkt gezeigt, dann hätte das Gezerre aufgehört.

    Aber dann hätte der Schiri ja wieder kein "Fingerspitzengefühl" gehabt, womit wir wieder beim Thema wären.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • Interessant auch diese "Regelanwendung" von Schiedsrichter Robert Hartmann.


    Collinas Erben beschreiben hier am 07. Mai des Jahres eine Situation die schon sehr zum Nachdenken anregt.


    Zitat von (sinngem.) Collinas Erben 07. Mai 2018

    Schiedsrichter Robert Hartmann zückt Gelb gegen Lucas Alario weil der Leverkusener dem Bremer Jiří Pavlenka "Rücksichtslos" mit den Stollen auf´s Knie steig.

    Video-Assistent Bastian Dankert teilte Hartmann die Verwechslung mit, denn nicht Lucas Alario sondern Kevin Volland war es, der gegen den Bremer Torwart rüde eingestiegen war.

    Wer aber dachte, Hartmann werde jetzt Volland verwarnen, sah sich getäuscht: Der deutsche Nationalspieler, der in der ersten Hälfte nach einem Foulspiel die Gelbe Karte bekommen hatte, kam überraschend um Gelb-Rot herum.


    Was auch immer im Hirn des Kollegen in diesem Moment vorgegangen ist - Regeltechnisch völlig in Ordnung dennoch aber mit ganz viel Geschmäckle.


    Warum entscheidet der Kollege hier zunächst, das es sich um ein Gelbvergehen handelt und als er dann feststellt das es (huch) ja GelbRot ist, unterlässt er es die zweite Verwarnung auszusprechen?

    Ohne diese "Verwechselung" wäre das wohl nie aufgefallen.


    Ja, diese Frage verkürzt den Sachverhalt und provoziert. Aber genau so wie ich sie gestellt habe soll sie etwas zeigen was wir sonst nie in dieser Form wahrnehmen werden.


    Es gibt halt solche und solche Spieler der eine bekommt Gelb und der andere für das -exakt gleiche Vergehen in der gleichen Spielsituation- nicht. Es ist also doch erlaubt das einige Speiler sich mehr herausnehmen dürfen als andere?

  • Kann der SR bei einer Verwechslung nochmal selber die Bilder ansehen und zu dem Schluß kommen, dass gar ein gelb-würdiges vergehen vorlag?
    Oder könnte der VAR ihm das so mitgeteilt haben?

    Oder ist das regeltechnisch vielleicht doch nicht in Ordnung?
    Wenn der VAR wegen Verwechslung eingreift muss der SR dann nicht dem richtigen gelb geben?
    Ich denke das ist wohl nirgendswo wirklich definiert.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Kann der SR bei einer Verwechslung nochmal selber die Bilder ansehen und zu dem Schluß kommen, dass gar ein gelb-würdiges vergehen vorlag?
    Oder könnte der VAR ihm das so mitgeteilt haben?

    Oder ist das regeltechnisch vielleicht doch nicht in Ordnung?
    Wenn der VAR wegen Verwechslung eingreift muss der SR dann nicht dem richtigen gelb geben?
    Ich denke das ist wohl nirgendswo wirklich definiert.

    Du betrachtest hierbei nur das Vordergründige, welches Du völlig korekt darstellst und was ich auch nicht anzweifeln möchte.


    Interessant ist hierbei aber das, was man erst auf dem "zweiten Blick" entdeckt - deshalb stelle ich die Frage noch einmal.


    Warum bekommt der eine Spieler eine Disziplinarstrafe nachdem der SR ein Vergehen als "Verwarnungswürdig" eingestuft hat, und er andere für das exakt gleiche Vergehen in der exakt gleichen Situation keine Disziplinarstrafe?

    Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?


    Vielleicht wird es deutlicher:

    Der "Eine" wird für das Parken in der Feuerwehreinfahrt abgeschleppt und der andere wird höflich darum gebeten sein Fahrzeug zu entfernen weil er der Lokalprommi ist?

    Auch wenn dieser Fall vielleicht nicht ganz vergleichbar ist ist in beiden Fällen eines absolut Gleich: Es werden für unterschiedliche Personen bei gleichen Vergehen die Regeln unterschiedliche angewendet..

  • Warum bekommt der eine Spieler eine Disziplinarstrafe nachdem der SR ein Vergehen als "Verwarnungswürdig" eingestuft hat, und er andere für das exakt gleiche Vergehen in der exakt gleichen Situation keine Disziplinarstrafe?

    Kannst du sicher wissen, dass es das gleiche Vergehen war?
    Wie gesagt evtl hat man sich nach Ansicht der Videobilder dazu entschieden, dass es keine gelbe Karte war, weil es vorher anders aussah.
    Somit hätten wir nicht mehr das gleiche Vergehen, vielleicht wäre Spieler 1 schon nicht verwarnt worden, wenn der SR nur die Videobildern gesehen hätte.


    Vermutlich war es hier aber wohl so, dass der SR zwar ein gelb-würdiges.. aber kein gelb-rot-würdiges Foul gesehen hat... obwohl wir natürlich alle wissen, dass es zwischen beiden eigentlich keinen Unterschied gibt ;)

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • obwohl wir natürlich alle wissen, dass es zwischen beiden eigentlich keinen Unterschied gibt

    Und genau darum geht es.


    Zumal die Situation eben gerade nicht noch einmal angesehen wurde, sondern der SR lediglich über die Verwechselung informiert wurde.


    "Hey Kollege, Du hast grad dem Falschem die Gelbe gegeben"

    "Achja, verdammt, Danke für die Info wem muss ich die denn geben"

    " Der Nummer 7"

    "Nee, dem geb ich keine Gelb, der müsste ja sonst Runter!"