Vorteil - aber wie lange?

  • Gestern in meinem C1 Juniorenspiel folgende Szene: Foul des Verteidigers am Angreifer leicht ausserhalb aber direkt an der Ecke des Strafraums. Beide sind am Boden auf der Suche nach dem Ball, welcher frei da liegt. Der Angreifer rappelt sich auf langsam und ich rufe "Vorteil". Im Aufrappeln noch kommt der Angreifer an den Ball und bringt ein Schüsschen auf den Torwart. Ich pfiff nach und entschied auf Freistoss, weil ich dieses Schüsschen nicht als Vorteil ansah. Aus früheren Spielsituationen, weill ich dass der Angreifer technisch stark ist - auch beim Torschuss.


    Nach dem Spiel kam der Trainer des Verteidigers zu mir und sagte, dass der Vorteil mit Torschuss vorbei wäre und ich keine zwei Vorteile geben darf. Ich beschwichtigte mit den Worten, dass ich allein entscheide, wie lange ich einen Vorteil laufen lasse und zurückpfeiffe. Es war nicht spielentscheidend und so verblieben wir beide mit einem Handschlag.


    Nun die Frage: Wann ist ein Vorteil ein Vorteil und wann zurückzupfeifen? Habe ich wirklich einen Fehler begangen? Ich denke, ich habe richtig entschieden.

  • Wenn Du "Vorteil" rufst, musst Du auch weiterspielen lassen. Da rufe eher "weiter", oder besser gar nichts! Und am Strafraumeck ist ein Freistoss sicherlich die bessere Chanche, besonders bei den Jungen. Der Einwand des Trainers war nicht unbegründet!
    Ob Vorteil oder nicht, da musst Du Erfahrungen sammeln. Es gibt kein Patentrezept, dass man anwenden kann.

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Zur Theorie: Wenn Du als SR nach einem Vergehen wahrnimmst, dass eine Vorteilssituation eintreten könnte, so kannst du einen Augenblick abwarten (verzögerter Pfiff). Wenn der vermutete Vorteil dann eintritt, so ist dies offen anzuzeigen ("Vorteil!"-Ruf bzw. das festgelegte Handzeichen) und ein nachträglicher Pfiff ist nicht mehr möglich.

    Zitat

    Ich beschwichtigte mit den Worten, dass ich allein entscheide, wie lange ich einen Vorteil laufen lasse und zurückpfeiffe

    Das ist insofern richtig, dass die Entscheidung, ob ein Vorteil eintritt, allein bei Dir liegt (Tatsachenentscheidung). Wenn du aber Vorteil anzeigst (bzw. rufst), so zeigst Du damit an, dass der Vorteil bereits eingetreten ist (und nicht, dass du den verzögerten Pfiff anwendest). Also hast Du leider doch einen Fehler begangen.


    Zitat

    Im Aufrappeln noch kommt der Angreifer an den Ball und bringt ein Schüsschen auf den Torwart.

    Hier mal noch eine Anmerkung zu. Es geistert das Gerücht umher, dass wenn ein Spieler trotz Foul zum Abschluss gelangt, der Vorteil automatisch bereits eingetreten ist. Das ist nicht korrekt! Ob ein Vorteil eintritt ist deine Tatsachenentscheidung, auch wenn es oft sehr schnell zugeht.

  • Grundsätzliches zum Vorteil findest Du hier.


    Ob alleine die Anzeige des Vorteils oder der Ruf "Vorteil" schon einen Nachpfiff ausschließt ist eher Philisophiefrage, die Meinung wird aber oft vertreten, auch wenn ich das für nicht zwingend halte. Unser Lehrwart rät ausdrücklich dazu, auf den Ruf "Vorteil" zu verzichten und statt dessen "Weiter" zu rufen, damit gehst Du solchen Diskussionen aus dem Weg.

  • Hier mal noch eine Anmerkung zu. Es geistert das Gerücht umher, dass wenn ein Spieler trotz Foul zum Abschluss gelangt, der Vorteil automatisch bereits eingetreten ist. Das ist nicht korrekt! Ob ein Vorteil eintritt ist deine Tatsachenentscheidung, auch wenn es oft sehr schnell zugeht.


    Stimmt. Die entscheidende Frage ist hier: Hat der Angreifer nur ein "Schüsschen" zustande gebracht, weil er durch das Foul noch beeinträchtigt war, oder hat er sich aufgerappelt, wollte schießen und das Schüsschen war mangelndes fußballerisches Talent? Häufig ist nämlich letzteres der Fall (gehaltener Stürmer reißt sich los, bleibt sicher auf den Beinen, schießt aber neben das Tor), dann ist der Vorteil eingetreten (der Stürmer hätte ja ins Tor schießen können). Wird einem Angreifer ein Bein gestellt und er versucht im Straucheln noch den Torschuss, ist aber aus dem Tritt, sodass ein vernünftiger Torschuss wegen des Fouls gar nicht mehr möglich ist, kann hier problemlos zurückgepfiffen werden.

  • Ob alleine die Anzeige des Vorteils oder der Ruf "Vorteil" schon einen Nachpfiff ausschließt ist eher Philisophiefrage, die Meinung wird aber oft vertreten, auch wenn ich das für nicht zwingend halte. Unser Lehrwart rät ausdrücklich dazu, auf den Ruf "Vorteil" zu verzichten und statt dessen "Weiter" zu rufen, damit gehst Du solchen Diskussionen aus dem Weg.


    Also ich bin immer noch der Meinung, dass ich ein Foul lediglich nicht mehr nachpfeifen darf, wenn ich Vorteil gerufen habe. Wenn ich es nur anzeige bin ich der Meinung, dass ich es bis 3 Sekunden, wie beim verzögerten Pfiff, hinterher pfeifen darf. Schwieriger finde ich es, wenn ich bereits "Weiter!" bzw. "Spielen!" gerufen habe. Da tue ich mich dann immer recht schwer, da ich mit diesen Ausrufen den Spielern ja meistens zu verstehen geben möchte: "Da war nichts, weiter gehst!" oder "Ja es lag ein eventuelles Vergehen vor, es reicht mir aber nicht um es zu pfeifen!"

  • Es geht nicht um Pragmatismus, sondern konkret um diese Frage.

    Wann ist ein Vorteil ein Vorteil und wann zurückzupfeifen?

    Zunächst einmal etwas vorweg - obwohl ich weis, das mich jetzt viele der Kollegen hier steinigen werden:


    Die Vorteilsbestimmung ist eine SOLL Bestimmung und keine MUSS Bestimmung. Also macht der SR generell erst einmal nichts falsch, wenn er jedes Foulspiel und jede Unsportlichkeit sofort abpfeift.


    Für den Anfang helfen Dir vielleicht folgende 2 Merkregeln, die das Ganze erst einmal deutlich vereinfachen:


    1.) Der Vorteil ist immer dann eingetreten, wenn der (gefoulte) Spieler nach eine Unsportlichkeit eine kontrollierte Aktion durchführt. Ein kontrollierte Aktion ist dabei

    • Weiterlaufen mit Ballbesitz
    • Passspiel (Ob der Pass erfolgreich ist haben wir als SR nicht zu bewerten)
    • Torschuss (Wo der Ball dann tatsächlich hingeht bewerten wir als SR nicht - nur eben, das das Foulspiel den Torschuss nicht mehr beeinflusst hat)
    • zusätzlich kann diese Aktion auch ein Mitspieler durchführen, wenn er - durch das - oder unmittelbar nach dem Foulspiel in Ballbesitz gerät

    2.) Der Vorteil sollte nur dann gegeben werden, wenn der Freistoß eine bessere Spielsituation ergibt als das Weiterspielen.



    Aber Du hast ja nach einen "Zeitrahmen" gefragt.


    Meine Empfehlung:
    Mach das nach Bauchgefühl und Erfahrung (die Du ja noch sammeln willst/musst)


    Da es auch eine "Daumenzeitspanne" nicht gibt hilft Dir vielleicht das hier:
    Den Vorteil überprüfen brauchst Du nur, wenn der Spieler oder sein Mitspieler versucht weiter zu spielen und dabei in (fast) Ballbesitz bleibt. Jetzt hast Du Zeit "mit einem Auge" zu überprüfen ob eine Kontrollierte Aktion durchgeführt wird und "mit dem anderen Auge" die taktische Gesamtsituation abzucheken.


    Gefühlt sind das Ewigkeiten, realistisch ist das aber meistens nur die Zeit, die man braucht um die Pfeiffe zum Mund zu führen und Luft zu holen. Aber in dieser Zeitspanne entscheidet sich in den meisten Fällen, ob einer der Aktionen von 1.) zutrifft. Jetzt checkst Du nur noch den Punkt 2.) ab (Merkregel einmal Schlucken) und triffst eine endgültige Entscheidung.....


    ..... die natürlich Deine Umgebung meistens anders bewertet als Du - also mach Dir nix d´raus. Der Eine beschwert sich weil sein Vorteil nicht eingetreten ist, der Andere weil Du seinen Vorteil abpfeiffst.


    Übrigens habe ich mal vor einiger Zeit hier etwas in´s Klo gegriffen , ohne letzten endes falsch zu liegen

  • "2.) Der Vorteil sollte nur dann gegeben werden, wenn der Freistoß eine bessere Spielsituation ergibt als das Weiterspielen."
    Das meinst Du wohl sicherlich anderstherum?

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Gelesen, verstanden und umgesetzt. Leider hatte ich gestern eine Inspektion durch den Verband und direkt 0.2 Abzug bekommen, da ich nach meinem Vorteil-Ruf nicht mehr zurückpfiff. Es wurde mir empfohlen, immer zu rufen und anzuzeigen wenn es ein Foul gibt und ich es nicht direkt abpfeife (Damit alle wissen, warum ich das Foul nicht abpfeife). Wenn dann nach 2-4 Sekunden doch kein Vorteil eintritt soll ich zurückpfeiffen. Das habe ich nach dem Spiel nochmals beim Inspizienten explizit nachgefragt und klargestellt.


    Offtopic: Nichts desto trotz bekam ich mit der Note 7.3 den Vorschlag für die vierte Schweizer Liga. Weitere Kritikpunkte waren Stellungsspiel und Kondition.

  • Also - bei uns bedeutet 7,3 "schwache Leistung" und ist die zweitschlechteste Bewertung (7,0-7,4).


    Auch die Auslegung des "verzögerten Pfiffs" erfolgt bei uns wie vorher schon beschrieben.

  • Vorsicht: udo1982 pfeift in der Schweiz, die dürften ein anderes Bewertungssystem haben - immerhin hat er eine "Empfehlung" bekommen, die eher nach Auf- als nach Abstieg klingt.

  • Gelesen, verstanden und umgesetzt. Leider hatte ich gestern eine Inspektion durch den Verband und direkt 0.2 Abzug bekommen, da ich nach meinem Vorteil-Ruf nicht mehr zurückpfiff. Es wurde mir empfohlen, immer zu rufen und anzuzeigen wenn es ein Foul gibt und ich es nicht direkt abpfeife (Damit alle wissen, warum ich das Foul nicht abpfeife). Wenn dann nach 2-4 Sekunden doch kein Vorteil eintritt soll ich zurückpfeiffen. Das habe ich nach dem Spiel nochmals beim Inspizienten explizit nachgefragt und klargestellt.


    Das widerspricht der Lehrmeinung in Deutschland. Möglicherweise ist das in der Schweiz anders, in Deutschland ist nach dem Vorteils-Ruf kein Foulpfiff mehr möglich.

  • Also ich bin immer noch der Meinung, dass ich ein Foul lediglich nicht mehr nachpfeifen darf, wenn ich Vorteil gerufen habe. Wenn ich es nur anzeige bin ich der Meinung, dass ich es bis 3 Sekunden, wie beim verzögerten Pfiff, hinterher pfeifen darf.


    Ich bin da übrigens anderer Meinung, Vorteil rufen und anzeigen ist für mich dasselbe, das sollte erst dann erfolgen, wenn der Vorteil eingetreten ist und nicht dann wenn er evtl noch eintritt.
    Man sollte daher diese 3 Sekunden immer abwarten. und erst dann entscheiden ob ein Vorteil vorliegt, den man dann auch anzeigt und oder ausruft.


    Wie gesagt für mich ist rufen und anzeigen gleichwertig (und Laut Regelwerk ist auch eigentlich nur das Handzeichen vorgesehen).
    Sobald ich das aber anzeige ist es zu spät zum nachpfeifen.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Interessant wie hier die Meinungen auseinandergehen.


    Bezüglich der Bewertung habe ich gerade nochmal geschaut. Für unsere 4. und 5. Liga gibt es folgenden Ansatz:

    • 6.9-7.0 - unter den Erwartungen
    • 7.0-7.4 - entspricht den Erwartungen
    • 7.5-7.8 - übertrifft die Erwartungen

    Ab 7.3 ist der Vorschlag für die höhere Einstufung möglich, ab 7.5 zwingend. Zusätzliche Bemerkungen:Kein regeltechnischer Fehler, Kein entscheidender/gravierender Fehler, Umsetzung der Weisungen, Gute Kenntnis der Regeln 11,12 und 13,Gute Kondition; Hat das Spiel gepfiffen.
    Einen Bericht im Excel habe ich auch gefunden: http://www.ifv.ch/Portaldata/1…p_bericht_2007_2008_d.xls Es werden einfach pro Bereich negative Punkte von positiven Punkten subtrahiert. Das ergibt ein Total pro Bereich. Unten werden allgemeine Abzüge notiert. Das macht die Gesamtnote aus. Wie ist das bei euch in Deutschland aktuell mit der Bewertung?