Geständiger Spieler härter bestraft als ungeständiger Spieler

  • Während einer A-Junioren-Begegnung wird ein Spieler von Team A von 2 gegnerischen Spielern mehrfach wegen seiner Hautfarbe beleidigt. Der SR wird von dem Spieler mehrfach darauf aufmerksam gemacht, nimmt jedoch selber die Beleidigungen nicht wahr. Er vermerkt es jedoch im Spielbericht.
    Es kommt zur Verhandlung vor dem Sportgericht. Die Spieler wurden anhand der Rückennummern namhaft gemacht. Spieler 1 entschuldigt sich reumütig bei seinem Gegenspieler und bedauert die Beleidigungen glaubwürdig. Spieler 2 erscheint unentschuldigt nicht zur Verhandlung.


    Urteil:
    Spieler 1 wird zu 5 Pflichtspielen Sperre verurteilt
    Spieler 2 wird bis zum 31.03.2015 gesperrt und muß ein Bußgeld wegen Nichterscheinens zahlen
    Die Mannschaft erhält 3 Punkte abgezogen
    Team B muß Team A beim Rückspiel zum gemeinsamen Frühstück einladen


    Das kuriose dabei ist jetzt, dass der geständige Spieler länger gesperrt ist, als der ungeständige Spieler. Das ergibt sich daraus, dass der gesperrte Spieler bisher 3 Spiele abgesessen hat, beim 4. Spiel ist der Gegner nicht angetreten, zählt also nicht. Jetzt hat das Team bis zur Winterpause noch ein Spiel und einmal spielfrei. Die Rückrunde beginnt für die Mannschaft wieder spielfrei. Dann ein Spiel und dann kommen schon die Osterferien. Somit ist der Spieler erst wieder Mitte April spielberechtigt. Und auch nur dann, wenn keins der Spiele winterbedingt ausfällt. Dann würde sich die Sperre jeweils wieder verlängern.


    Obwohl ich nicht von Team B sondern von A bin, finde ich die Strafe doch etwas überzogen, insbesondere im Vergleich zum anderen Spieler, der völlig uneinsichtig war.

    Schiri zeigt gelb und sagt: "Ich verwarne Ihnen!"
    Willi: "Ich danke Sie!"
    Schiri zeigt rot.


    Zitat: Willi 'Ente' Lippens am 02.05.65 zu Schiedsrichter Udo Zuchantke im Spiel Rot-Weiss-Essen gegen Westfalia Herne

  • Solche Schieflagen gibt es leider häufiger. Es kommt ja auch vor, dass Spieler 3 Spiele gesperrt werden aber ohnehin in 2en davon im Urlaub gewesen wären- dann wirkt die Strafe auch nicht so richtig.


    Hier ist doch wichtig, dass die Sache aktenkundig wurde und man im Wiederholungsfall deutlicher werden kann. Man tröste sich damit, dass Spieler 2 ein zusätzliches Bußgeld zahlen muss.

  • Erstmal: Klares Zeichen des Sportgerichts, dass die Beleidigungen nicht toleriert werden, das finde ich gut.


    Zunächst wirkt das Urteil gegen den nicht erschienenen Spieler deutlich härter. Dass der andere Spieler de facto härter bestraft wurde, liegt ja nur an der dazwischenliegenden Winterpause, den Spielausfällen und den Freilosen. Das ist schon Pech. Ich kenne es übrigens so, dass im Jugendbereich die Spielsperren häufig mit einer Zeitfrist gekoppelt sind und die Sperre abläuft, sobald eine der beiden Kriterien erfüllt wurden (also z.B. 5 Pflichtspiele oder 10 Wochen).

  • Auf welcher Basis soll Spieler 2 denn verurteilt werden? Hörensagen? Ich find die Strafe unmöglich - nobel, aber dumm es zuzugeben von 1. Aussage gegen Aussage darf nicht zu einer Strafe führen.

  • Auf welcher Basis der zweite Spieler verurteilt wird? Ganz einfach: Auf Grundlage der Aussagen des Spielers, der beleidigt wurde. Das Gericht hat sich einen Eindruck über die Glaubwürdigkeit zu verschaffen - und es ist in hohem Maße nachvollziehbar, dass es die Aussagen für glaubhaft hält, wenn der Geschädigte überzeugend auftritt, der eine Beschuldigte alles einräumt und der zweite Beschuldigte unentschuldigt fehlt. Wer seine Chance auf rechtliches Gehör nicht wahrnimmt, darf sich nicht wundern, wenn das seine Position verschlechtert. Von daher ist das Urteil an sich vollkommen in Ordnung.


    Bei der Strafe ist ein wenig Pech im Spiel, eigentlich sollte die Friststrafe für den zweiten Spieler länger dauern als die Spielsperre für den ersten Spieler. Dass hier nun durch Unwägbarkeiten eine Verzerrung eintritt, ist sicher unglücklich.

  • Ich halte diese unsäglichen Strafen auf Zeit für falsch.
    Solche Idioten immer für Spieltage sperren und da entstehen auch nicht solche Verzerrungen bei den Strafen.
    Und ob das noch Pech ist? Das Gericht weiß genau, dass die Zeitstrafe in den Zeitraum der Schlechtwetterperiode und der Winterpause fällt und die Wahrscheinlichkeit, dass Spiele ausfallen können sehr hoch ist. Ich würde da eher von Unvermögen reden.


    Auf welcher Basis soll Spieler 2 denn verurteilt werden? Hörensagen? Ich find die Strafe unmöglich - nobel, aber dumm es zuzugeben von 1. Aussage gegen Aussage darf nicht zu einer Strafe führen.

    Wenn Spieler 2 die Möglichkeit unentschuldigt nicht wahrnimmt sich zu verteidigen, ja wem soll denn das Gericht dann glauben? Hier zählt für mich auch nicht mehr das Argument "Aussage gegen Aussage", wobei Spieler 2 wohl nicht mal ne Aussage gemacht hat. Chance vertan sich zu verteidigen, fertig aus.

  • Auf welcher Basis soll Spieler 2 denn verurteilt werden? Hörensagen? Ich find die Strafe unmöglich - nobel, aber dumm es zuzugeben von 1. Aussage gegen Aussage darf nicht zu einer Strafe führen.


    Das ist von vorne bis hinten Blödsinn. Besonders der letzte Satz. Wenn der Vorsitzende der Verhandlung aufgrund der Aussagen anderer zu der Überzeugung gekommen ist, dass der Spieler seinen Gegenspieler rassistisch beleidigt hat, wird er auch entsprechend verurteilt. Wo wären wir denn, wenn Urteile nur dann gesprochen werden dürften, wenn jemand den Vorwurf gegen sich zugibt?


    Daher ist es auch nicht dumm vom anderen Spieler, den Sachverhalt zuzugeben, denn Geständnis + Reue wirken im Allgemeinen stark strafmildernd. So sollte es ja auch hier sein, ist halt nur wegen der wenigen Spiele der Mannschaft bis März nach hinten losgegangen.


    Übrigens: Ich behaupte mal, dass in mindestens der Hälfte der Verfahren vor den Amtsgerichten Deutschlands am Ende Aussage gegen Aussage steht, der Richter entscheidet dann, wem er glaubt. Wenn ein Polizist sagt, er hat gesehen, wie Du bei rot über die Ampel gefahren bist, und Du behauptest, es war grün -- rate mal, wem der Richter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit glauben wird und wer verurteilt werden wird ... Da kann es noch so sehr "Aussage gegen Aussage" stehen.

  • Hier einen Vergleich mit Polizisten, Urteilen bei Unfällen herzuziehen, etc. halte ich für falsch. Denn der Vergleich im ordentichen Recht ist ein Strafverfahren, wo in dubio pro reo gilt. Nur auf der Basis einer Aussage des Opfers (->etwas anderes als ein neutraler Zeuge) steht das auf dünnem Eis. Wenn andere, insbesondere neutrale Aussagen dabeistehen, kann man sich drauf stützen. Insbesondere ein SR, der in deinem Beispiel der Polizist wäre, hätte da einen ganz anderen Stellenwert.


    Aber so steht Mißbrauch Tür und Tor offen. Auch wenn ich die Tat an sich abscheulich finde und mit 1 auf jeden Fall, 2 höchstwahrscheinlich, die Richtigen erwischt wurde, finde ich eine Sperre von 2 nur aufgrund einer Opferaussage und des Nichterscheinens, was manche hier anscheinend als Schuldeingeständnis sehen, als falsch an.


    Stellt euch vor ihr habt ein schwieriges Spiel gegen eine Minderheit und euch wird danach ein unberechtigter Rassismusvorwurf gemacht. Aufgrund welchen Grundes auch immer - und ich kann mir vielfältige Gründe vorstellen, kurzfristig verhindert oder einfach nicht informiert zu sein - kommt ihr nicht, das wird euch als Schuldeingeständnis ausgelegt und ihr verliert den Schein. Würdet ihr das genauso sehen?

  • Hier kann das Urteil doch nur schuldig lauten.


    • Warum sollte der Kläger Anzeige erstatten? Gerade im Sport machen dies aus Bequemlichkeit kaum jemand.
    • Ein Spieler gibt das Vergehen zu, was die Glaubwürdigkeit des Anzeigers untermauert.
    • Die persönliche Einvernahme des Klägers hat vermutlich den Richter überzeugt
    • Die Abwesenheit kann ihm zwar nicht zum Nachteil gereichen, sagt aber nicht, dass er der Anzeige widersprochen hat.
  • Da der Vorgang auch bei der Polizei angezeigt wurde und wahrscheinlich noch strafrechtliche Konsequenzen haben wird, denke ich mal, dass der ungeständige Spieler einfach nur einen guten Anwalt hat und daher nicht vor dem Sportgericht erschienen ist...


    Ich glaube auch, dass die ganze Angelegenheit nicht so hochgekocht wäre, wenn nicht vom Spielfeldrand laufend von den vermeintlich erwachsenen Vorbildern des Gegners die Atmosphäre vergiftet worden wäre. Sogar der Linienrichter, der vom Gegner gestellt wurde, hat den dunkelhäutigen Spieler zugerufen: "Stell dich nicht so an du Memme", nachdem der sich beim SR über die Beleidigungen beschwert hatte. Alles in allem war das Maß dann voll, so dass nach dem Spiel vom gastgebenden Verein die Polizei gerufen wurde.

    Schiri zeigt gelb und sagt: "Ich verwarne Ihnen!"
    Willi: "Ich danke Sie!"
    Schiri zeigt rot.


    Zitat: Willi 'Ente' Lippens am 02.05.65 zu Schiedsrichter Udo Zuchantke im Spiel Rot-Weiss-Essen gegen Westfalia Herne

  • Hallo zusammen,


    hatte mich eigentlich aus anderen Gründen hier angemeldet, dann aber diesen Beitrag entdeckt. Tatsächlich bin ich mit dem Vorfall vertraut, da Mitglied der Jugendleitung im Verein der gesperrten Spieler. Um mal eins vorweg zu nehmen: ich lehne jede Form von Rassismus ab und finde, dass beide Spieler eine Strafe verdient haben. Ob sie nun in der verhängten Form sein muss, sei einmal dahingestellt, die Frage ist ja im Jugendbereich m.E. immer, wie die Spieler durch die Strafe lernen können (hier wäre z.B. die Teilnahme an einem Workshop sinnvoll gewesen, den wir nun intern durchführen).


    Eine Sache muss ich aber korrigieren, da sie die Diskussion beherrscht und damit verzerrt, und das ist schon die Überschrift. Es gibt nämlich keinen ungeständigen Spieler. Beide Spieler haben in einem Gespräch mit mir eingeräumt, bestimmte Dinge geäußert zu haben, beide Spieler haben dies auch in der Stelungnahme für das Sportgericht so formuliert, zusammen mit der Einlassung, dass sie sich nicht bewusst waren, dass sich der Gegenspieler dadurch rassisitisch beleidigt gefühlt hat, dass es ihnen leid tut und dass sie sich gern dafür entschuldigen möchten. Der Unterschied liegt darin, dass einer der beiden bei der Sportgerichtsverhandlung erschien und der andere kurzfristig verhindert war, dieses aber erst im Nachhinein mitgeteilt hat. Weder hat es mit der vermeintlich längeren Strafe daher "den Richtigen" erwischt, noch war dieser uneinsichtig oder ungeständig. Das ändert nichts an der Tatsache, dass eine Bestrafung unumgänglich (und auch auf jeden Fall gerechtfertig) war, wird aber dem eigentlich unauffälligen und jungen (und damit hoffentlich lernfähigen) Spieler nicht gerecht.


    Wünsche eine angenehme Adventszeit.


    Skimble