Handspiel außerhalb des Feldes, Ball aber noch im Spiel

  • Folgende Frage ist meines Erachtenes eine eigene Diskussion wert:


    Ein Spieler berührt den Ball, der das Spielfeld noch nicht vollständig verlassen hat, mit der Hand, wobei der Handkontakt ausschließlich außerhalb des Spielfeldes erfolgt (Klassiker ist die Ballaufnahme um einen Einwurf auszuführen, der Ball ist aber eben noch nicht komplett draußen). Der Ball verlässt durch diesen Eingriff nicht das Spielfeld. Es geht jetzt nicht um die pragmatische Lösung, sondern um die regeltechnisch richtige Lösung.


    Der Handkontakt - als Tatort - liegt außerhalb des Spielfeldes. Damit könnte es als Spielfortsetzung nur einen SR-Ball geben, denn der Regelverstoß findet bei laufendem Spiel, aber nicht auf dem Feld statt. Dabei stellt sich aber die Frage, ob hier überhaupt ein Regelverstoß vorliegt, denn außerhalb des Feldes ist der Handkontakt mit dem Ball ja nicht verboten. Andererseits handelt es sich aber doch um einen Eingriff in das Spiel, weil der Ball eben nicht entgegen der ursprünglichen Richtung das Feld verlässt - und ein Eingriff in das Spiel liegt dann doch vor, was ein einwirken und damit einen idF verursachen würde, wenn die Einwirkung verboten wäre; dafür wiederum fehlt es an der Regelübertretung.


    Sinn und Geist der Regel legen nah, dass hier sehr wohl ein verbotener Eingriff vorliegt, schließlich wird das Spiel beeinflusst. Es wäre zweifelsfrei zulässig und im Sinne der Regeln, wenn ein solcher Ball mit dem Fuß - wobei der Fuß ja ebenfalls vollständig außerhalb des Feldes wäre - wieder in der Spielfeld zurückbefördert werden würde. Demnach handelt es sich schon um einen Regelverstoß, aber eben mittelbarer Art. Für meine Begriffe könnte ich das aber nicht als Handspiel mit einem direkten Freistoß ahnden, weil der Handkontakt außerhalb war, hier greift aus meiner Sicht die Generalklausel für den indirekten Freistoß (jede andere Regelübertretung ...).

  • Puh, das ist wirklich vertrackt. Mit dem ind. FS gehe ich nicht mit, entweder gilt der Ort des Balles - der ist ja noch innerhalb, also ist das Handspiel innerhalb, dann dF - oder der Ort des Handspiels, das ist außerhalb. Dass außerhalb des Spielfelds ein Handspiel verboten ist, ist m.E. nicht festgelegt. Ich sehe hier also eher eine Regellücke und denke, dass man tatsächlich auf Weiterspielen entscheiden müsste... :S:confused:


    PS: Unnötig zu erwähnen, dass es draußen auf dem Feld natürlich dF auf der Linie gibt. Nur der Vollständigkeit halber, nicht dass jemand die Überlegungen wirklich auf dem Platz ausprobiert. :D

  • Analog zum Pfiff aus dem Publikum, wo ein Ereignis außerhalb des Spielfeldes eine Wirkung auf dem Spielfeld erzeugt, tendiere ich hier auf SR-Ball am Ort des Balles bei Pfiff (der Ort des "Vergehens" kann eben nicht herangezogen werden- da es kein "Vergehen" ist). Bleibt noch die Frage, ob der Spieler zu verwarnen wäre. Schließlich hat er versucht, sich durch ein vermeintliches Handspiel einen Vorteil zu verschaffen. Tendenz: Kein Handspiel, keine pers. Strafe.

  • Das Thema ist von Seiten des DFB durch eine andere Anfrage bereits geklärt.


    Regelanfrage an den DFB: Ein Abwehrspieler, der sich im Netzraum des Tores befindet (also außerhalb des Spielfeldes), verhindert ein sicheres Tor, indem er das Leder, das die Torlinie fast überschritten hat, ins Spielfeld zurückfaustet. Das Handspiel war eindeutig hinter der Torlinie. Wegen »Torraubs« muss der Spieler den Platz verlassen. Aber wie geht’s weiter?


    Wie im Ausgangsfall wird bei der Anfrage der Ball ebenfalls außerhalb des Spielfeldes mit der Hand gespielt obwohl der Ball selber noch im Spiel ist.


    Lösung des DFB: Das Fußballfeld wird bis zum Durchmesser des Balles vergrößert, so lange das Leder die Torlinie nicht vollständig überschritten hat. Die Schiedsrichter sind angewiesen, im vorliegenden Fall auf Strafstoß zu entscheiden.


    ...und in unserem Ausgangsfall halt auf dF.
    :thumbup:

  • machee, vielen Dank. Eine pragmatische Lösung, aber mit den Regeln nicht vereinbar. Also setzt sich der DFB hin und biegt sich die Reglen irgendwie zurecht. "Das Spielfeld wird um den Durchmesser des Balls vergrößert" ist wirklich abenteuerlich, aber andererseits wüsste ich auch nicht, was ich an Stelle des DFB hier sonst antworten würde...

  • zettelbox, ich verstehe ja, dass diese theoretischen Diskussionen für manche hier im Forum das Non-Plus-Ultra sind. Wer das Regelheft genau studiert, findet zu jeder Regel die "Zusätzlichen Erläuterungen des DFB". Und wenn es seitens des SR-Ausschusses des DFB eine Stellungnahme zur Regelauslegung gibt, sollten wir diese auch als Solche betrachten und Anwenden.


    Die theoretischen Diskussionen sind für Neulinge und Praktiker nur verwirrend und helfen ihnen auf dem Platz kaum weiter.


    Manfred und die anderen Mods: Vielleicht könnt Ihr ja eine seperate "Ecke für Regeltheoretiker" aufmachen, in der solche Debatten dann geführt werden können :clown: .

  • Tja, Leute wie Du lernen halt stumpf jede Situation auswendig und spulen sie dann ab (im Regeltest und falls so eine Situation tatsächlich mal auf dem Platz passieren sollte). Ist natürlich völlig legitim, wenn auch etwas arbeitsintensiver.


    Ich finde es insgesamt besser, die Logik hinter einzelnen Regelnormen zu verstehen und dann, ohne Auswendiglernen immer neuer Situationen, daraus sicher ableiten zu können. Manchmal funktioniert das auch mit den Fußballregeln, oft halt nicht. Leider wird von den Regelmachern und auch -auslegern wie dem DFB nichts getan, diese Konsistenz zu verbessern, im Gegenteil.


    Ich finds schade, anderen ist es egal. Ist doch legitim. Die erste Gruppe in eine eigene Ecke zu schieben, ist natürlich auch ne Möglichkeit. Eine etwas egozentrische vielleicht.

  • machee, vielen Dank. Eine pragmatische Lösung, aber mit den Regeln nicht vereinbar. Also setzt sich der DFB hin und biegt sich die Reglen irgendwie zurecht. "Das Spielfeld wird um den Durchmesser des Balls vergrößert" ist wirklich abenteuerlich, aber andererseits wüsste ich auch nicht, was ich an Stelle des DFB hier sonst antworten würde...


    Naja das passiert aber auch mit echten Gesetzen, im echten Leben. ;)
    Es ist nun mal faktisch fast unmöglich jede auch nur theoretisch mögliche Situation vorhab in einem Regelwerk festzulegen.
    Da sind solche Auslegungen eine super Sache um Zweifelsfälle zu klären.


    Aber das sollte man dann auch so ins Regelwerk oder zumindest in die Erläuterungen übernehmen.
    Ich weiß jetzt nicht von wann die Anfrage an den DFB ist, sollte aber in das Regelheft übernommen werden.


    Oder wo würde ich, wenn das nicht zufällig hier im Forum angesprochen wird solche Informationen bekommen?
    Muss ich jede Anfrage an den DFB kennen?

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler Irgendjemand der sich für die Regeln seines Sports interessiert

  • Was liegt denn dann bei Handspiel hinter der Torlinie vor - also der Ball ist auf der Linie, wird aber außerhalb des Spielfeldes mit der Hand gespielt, das Tor wird dadurch verhindert.

  • Man könnte es auch einfacher formulieren:
    Der Ball gehört immer vollständig zum Spielfeld, bis er jenes verlassen hat. Damit wäre dann auch klar, dass jeglicher Kontakt, der an sich außerhalb des Spielfeldes stattfindet, so zu behandeln ist, als hätte er auf dem Feld stattgefunden. Aber ganz ehrlich: Diese grundsätzliche Klarstellung wäre doch wohl einen Satz in den IFAB-Auslegungen wert - dort steht schließlich auch, dass ein Trikot Ärmel hat ...

  • Ich finde es gut, wenn ein Handspiel hinter der Torlinie trotzdem einen Strafstoß zur Folge hat. Es entspricht dem Geist des Spiels.


    Leider widerspricht es den Regeln und anstelle eben die Grundlage im Regelbuch zu verankern, Manfred hat eine gute Möglichkeit genannt, gibt es nur eine nicht handfeste Anweisung, auf die man sich bei Diskussionen nicht berufen könnte.


    Naja mir egal, Tatsachenentschedungen werden bei mir unverändert Ball im Feld, Strafstoß oder Ball im Tor, Anstoß sein.

  • Ich finde es insgesamt besser, die Logik hinter einzelnen Regelnormen zu verstehen und dann, ohne Auswendiglernen immer neuer Situationen, daraus sicher ableiten zu können.

    Auf dem Platz mußt Du in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung treffen, dafür muss man die Situationen einfach parat haben und Die auch Automatismen aneignen.


    Wenn Du auf dem Platz das Überlegen anfangen und Regelanalogien ableiten mußt, wirst Du definitiv ein Problem haben.

  • Wieso sollte das länger dauern? Wenn ich Situationen in Mustern zusammenfassen und dementsprechend reagieren kann, geht das doch viel schneller.


    Beispiel: Unsportlichkeit ist ein idF. wo sie begangen wurde, also im Regelfall wo der fehlbare Spieler zum Zeitpunkt meiner Wahrnehmung stand. Lässt sich auf die meisten Situationen übertragen, ohne dass ich weiter nachdenken muss: Meckern gegen SR genauso wie das Aufbringen von Markierungen auf dem Platz. Ich muss nicht jede abstruse Situation kennen, sondern weiß pauschal, dass ich für eine Unsportlichkeit den Spieler verwarne und dort einen idF gegen ihn verhänge. Da muss ich nicht lange überlegen.


    Jetzt werden aber Sonderlocken eingebaut - beim unangemeldeten TW-Wechsel wird also ohne Beachtung der Vorteilsauslegung weitergespielt (siehe anderer Thread). Wiederholtes Ball-ins-Aus-Schießen kann als Unsportlichkeit ausgelegt werden, das Spiel dennoch mit Einwurf fortgesetzt werden. Das sind Dinge, die der Logik widersprechen. Allein deswegen muss ich sie bewusst auswendig lernen. Das geht doch auch auf dem Platz nicht schneller, als wenn ich spontan nach Schema F (ind. FS, gelb) handeln kann?!

  • Für das Anbringen von Markierungen wird aber kein Freistoß verhängt, sondern es soll in einer Spielruhe die VW ausgesprochen werden. (FIFA Auslegung, Regel 1)

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Ja, aber auch hier hat der SR einen Ermessensspielraum, er kann das Spiel auch mit ind. FS fortsetzen. Wäre ggf. das nächste Negativbeispiel - tut hier ja nichts zur Sache, es geht um die prinzipielle Vorgehensweise.

  • Ist schon blöd, wenn man erst mal unterbricht und sich dann "analog herleiten" muss, dass man eigentlich hätte weiterspielen lassen müssen, da die Verwarnung anweisungsgemäß in der nächsten Spielunterbrechung auszusprechen wäre. :clown:


    Regeltechnisch kannst Du natürlich unterbrechen und einen ind. Freistoß geben, wenn Du in einer Leistungsklasse unter Beobachtung stehst, reden wir hier aber über einen Fehler, für den zumindest 0,1 Pkte abgezogen werden ...

  • Du verstehst meinen Punkt nicht, ist auch nicht weiter schlimm.


    Ich verstehe Deinen Punkt schon. Allerdings betrachte ich ihn ebenfalls etwas kritisch.


    Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das "auswendig Lernen" mancherlei Situationen hilfreich ist, aus verschiedenen Gründen. Zum einen strahlt man automatisch in diesen Situationen Souveränität aus, da man eben nicht über die Entscheidung nachdenken muss. Ich habe immer wieder gehört, auf dem Platz sei das Wichtigste, seine Entscheidungen gut zu verkaufen. Wenn man nicht gerade der selbstsicherste Typ ist, dann ist eine klare und sichere Entscheidung ein großer Vorteil.


    Zum anderen ist da die Regelauslegung. Die Fußballregeln basieren auf gewissen Grundsätzen, wie du ja schon angemerkt hast. Allerdings ist die situationsbezogene Auslegung naturgemäß mit Problemen verbunden. Zum einen muss man oft konträre Prinzipien gegeneinander abwägen (wie im echten Recht). Dann müssen Regeln möglichst klar definiert, aber doch allgemein anwendbar sein. Hinzu tritt die Forderung nach einer einheitlichen Regelauslegung. Daher hast Du also schon mehrere Schwierigkeiten auf dem Platz, du musst erstmal nachdenken, dann möglichst umsichtig abwägen und dann hast Du noch das Problem, dass "der SR von letzte Woche aber was anderes gepfiffen hat".


    Natürlich ist das alles etwas überspitzt. Es stellt sich die Frage, was man denn vom SR erwartet. Wenn man nur souverän eine Partie leiten möchte, dann wird man womöglich sogar besser verstanden, wenn man nach "Sinn und Geist" der Regeln pfeift, auf gut Deutsch nach gesundem Menschenverstand. Allerdings wird man dabei subjektiv, nicht immer korrekt und nicht unbedingt konsistent pfeifen. Als guter SR sollte man aber auch versuchen die Regeln möglichst richtig anzuwenden. Man lernt natürlich auch nicht Situation für Situation auswendig. Man sollte sich meiner Meinung nach regelmäßig mit den Auslegungen beschäftigen und Situationen durchgehen, das reicht dann schon.


    Meiner Meinung nach sind die meisten offiziellen Auslegungen auch gut nachvollziehbar und passen sehr gut ins Regelwerk hinein. Oft werden sie einfach falsch verstanden oder zu wörtlich genommen. In unserem Beispiel ist "im Geiste" natürlich dF bzw. Strafstoß die schlüssigste Lösung. Das ist auch vollkommen konsistent zu den Regeln, denn dort steht als Voraussetzung: "Das Foulspiel erfolgte auf dem Spielfeld". Ort des Vergehens beim Handspiel ist der Ball, nicht der Punkt wo der Ball berührt wird. Das steht nicht in den Regeln aber entspricht der der abstrakten Deutungsweise, wie sie auch bei "Spielsituation" und ähnlichen Befriffen angewandt wird. Und so hat es der DFB ja auch ausgelegt, nur unglücklich formuliert um es griffiger zu machen. Das ist vllt. wirklich nicht ihre Stärke.


    Und diesen Gedankengang will ich mal von einem SR in einer solchen Situation am Seiten-Aus sehen. Die meisten wären wohl perplex. Bei sonen seltenen Dingern oder in der KK ist das auch Wurst :D