Schiedsrichter zeigt Zuschauer wegen Beleidigung an- Verfahren eingestellt

  • Folgendes ist nen Schiedsrichterkollegen aus der Nachbargemeinde widerfahren.


    MT-News


    Das wir uns auf dem Platz von Zuschauern ungestraft beleidigen lassen müssen, damit habe ich mich längst abgefunden. Aber wenn man danach auch noch in zivil auf dem Parkplatz angegangen wird, kann doch die Polizei nicht sagen:" Wir stellen das Verfahren ein- kein öffentliches Interesse"


    Wie läuft das bei euch ab? Hat da jemand Erfahrungswerte?

    Ewald Lienen (Ehem. Trainer 1.FC Köln):
    Wir haben nicht das Recht, jede Entscheidung des Schiedsrichters zu kommentieren. Der lacht sich ja auch nicht tot, wenn wir einen Fehlpass spielen.

  • Die Polizei hat kein Recht, das zu tun. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. So steht es allerdings auch (mittlerweile?) in dem Artikel. Die Polizei muss jede Anzeige aufnehmen und verfolgen, sie darf gar nichts einstellen.


    Dass ein Verfahren wegen Beleidigung von der Staatsanwaltschaft eingestellt wird, ist völlig normal und dürfte überall so sein. Ggf. steht der Privatklageweg offen. Ein öffentliches Interesse gibt es bei Beleidigungen allerdings in den seltensten Fällen (im Gegensatz zur Nötigung, aber worin die Nötigung bestanden haben soll, geht aus dem Artikel nicht hervor). Wo sollte das auch enden, wenn sich die Staatsanwaltschaft mit jedem "Arschloch!", das im Alltag so fällt, auseinandersetzen müsste?!

  • Ich halte das dennoch für falsch. Es ist allgemein bekannt, dass Aktionen, die ungestraft erfolgen können, das Potenzial haben, weitere Taten zu generieren. Heute kommt jemand davon, in dem er den SR beleidigt, morgen sind es dann Rempeleien (gibt ja keinen körperlichen Schaden), übermorgen die Ohrfeige ... Wenn ein Polizist beleidigt wird, kommt niemand auf die Idee, dass hier ein fehlendes öffentliches Interesse vorliegen könnte, selbst wenn die Tat ohne weitere Zeugen erfolgt ist. Wenn der Staat ein Interesse am Rechtsfrieden hat, das Gewaltmonopol beansprucht und entsprechende Gesetze schafft, dann darf er sich nicht gar so leicht durch die Hintertür zurückziehen.


    Der Verweis auf den zivilen Rechtsweg ist übrigens nicht zielführend. Erstens hat man Schwierigkeiten zu erfahren, wen man den überhaupt verklagen müsste - und Akteneinsicht wird nur Anwälten, nicht aber Privatpersonen gewährt, d.h. es entstehen schon einmal Kosten. Danach muss der Prozess angestrengt werden - und die erste Aktion des Gerichtes ist es, einen Prozesskostenvorschuss anzufordern. Selbst wenn der Prozess dann gewonnen wird, heißt das aber noch lange nicht, dass man sein Geld wiedersieht, ist die Gegenseite nicht zahlungsfähig, bleibt man auf den Kosten sitzen. Und damit wären wir wieder an dem Punkt, wo ich dem Staat vorwerfe, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

  • Man muss ja dazu sagen, dass sich das ja unter anderen auch abseits vom Fußballplatz in Zivil auf dem Parkplatz ereignete...


    Ein Herr Effenberg musste mal für ein angebliches "Arschloch" schon mal 10000€ blechen!

    Ewald Lienen (Ehem. Trainer 1.FC Köln):
    Wir haben nicht das Recht, jede Entscheidung des Schiedsrichters zu kommentieren. Der lacht sich ja auch nicht tot, wenn wir einen Fehlpass spielen.

  • Hier gehen Kraut und Rüben durcheinander.


    Die Polizei hat nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen, sondern auf den Privatklageweg gemäß §§ 374 ff. StPO. Bei bestimmten Straftaten wie Beleidigung, einfacher Körperverletzung etc. kann der Geschädigte auf diesen Privatklageweg verwiesen werden, wenn das öffentliche Interesse nicht besteht. Er ist dann quasi selber Staatsanwalt und kann selbst das Strafverfahren durchführen.


    https://www.justiz.nrw.de/Geri…ten/privatklage/index.php

    Einmal editiert, zuletzt von Manfred () aus folgendem Grund: Zitat aus Urheberrechtsgründen entfernt.

  • Wenn wir schon so genau sein wollen, so verweist nicht die Polizei sondern der Staatsanwalt - und ich habe durchaus schon von Fällen gehört, in denen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sein soll (habe die Unterlagen aber selbst nicht gesehen).


    Dennoch bleiben meine Vorwürfe gegen den Staat hier uneingeschränkt bestehen: Er verpflichtet den "Geschädigten" eigene Ermittlungen anzustellen, Beweise/Zeugen zu sammeln etc. pp. - eben genau wie im Zivilprozess. Gerade in solchen Sachen - Beispiel Bedrohung - ist es geradezu lächerlich, den Geschädigten selbst zu Ermittlungen zu zwingen und sich damit potenziell selbst zu gefährden, immerhin könnte aus der Bedrohung durchaus Realität werden.


    Die Idee mit dem Sühneversuch ist ganz nett, mag auch manchmal zu Erfolg führen und soll die Gerichte entlasten - aber sie tut es auf dem Rücken des Geschädigten, da sich die Sache damit nur noch länger hinzieht (könnte jetzt fortgesetzt werden).


    Ein Staat, der ein umfassendes Gewaltmonopol beansprucht (und das finde ich auch gut), darf sich nicht - auch nicht ansatzweise, dies genau tut er hier aber - aus der Verantwortung ziehen; im schlimmsten Fall müssen eben die entsprechenden Staatsorgane besser ausgestattet werden. Und so manch Staatsanwalt und Richter hatte auch schon die sinnige Idee, dass Geldbußen oder Geldstrafen auch dem wohltätigen Zweck "Staatskasse" zugewendet werden können, was die Mehrkosten wohl auch decken könnte.

  • Wenn wir schon so genau sein wollen, so verweist nicht die Polizei sondern der Staatsanwalt - und ich habe durchaus schon von Fällen gehört, in denen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sein soll (habe die Unterlagen aber selbst nicht gesehen).


    Nur hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun und ich kann mir das daher schwerlich vorstellen. Was will man denn wegen einer Beleidigung per Zivilklage erreichen? Schadenersatz in Form von Schmerzensgeld? Sehr unrealistisch.


    Zitat

    Dennoch bleiben meine Vorwürfe gegen den Staat hier uneingeschränkt bestehen: Er verpflichtet den "Geschädigten" eigene Ermittlungen anzustellen, Beweise/Zeugen zu sammeln etc. pp. - eben genau wie im Zivilprozess. Gerade in solchen Sachen - Beispiel Bedrohung - ist es geradezu lächerlich, den Geschädigten selbst zu Ermittlungen zu zwingen und sich damit potenziell selbst zu gefährden, immerhin könnte aus der Bedrohung durchaus Realität werden.


    Zuerst einmal: Im Artikel ist von einer Beleidigung die Rede, nicht von einer Bedrohung. Davon abgesehen ist die Bedrohung im Sinne des StGB die Androhung eines Verbrechens -- "hau ab, sonst gibt's was hinter die Ohren!" ist i.A. keine Bedrohung in diesem Sinne. Wir sollten daher von einer Beleidigung ausgehen, wenn wir an einer sachlichen Diskussion interessiert sind.


    Und dann: Ich bin froh, dass der Staat eben keine Ermittlungen anstellen muss, wenn das öffentliche Interesse nicht gegeben ist -- schließlich ist genau das die Aufgabe des Staats, abzuwägen. Ermittlungen kosten den Steuerzahler jedes Mal eine nicht zu unterschätzende Summe -- daher bin ich froh, dass nicht ein satter vier- bis fünfstelliger Betrag aufgewendet wird, um herauszufinden, ob tatsächlich der A den B "Arschloch" genannt hat.


    Wenn es dem B aber so wichtig ist, kann er selbst die Beweise erbringen und dann die Privatklage anstrengen. Damit belastet er aber zumindest im Vorhinein nicht die Exekutive. Ich finde das ein gutes System.


    Zitat

    Ein Staat, der ein umfassendes Gewaltmonopol beansprucht (und das finde ich auch gut), darf sich nicht - auch nicht ansatzweise, dies genau tut er hier aber - aus der Verantwortung ziehen; im schlimmsten Fall müssen eben die entsprechenden Staatsorgane besser ausgestattet werden. Und so manch Staatsanwalt und Richter hatte auch schon die sinnige Idee, dass Geldbußen oder Geldstrafen auch dem wohltätigen Zweck "Staatskasse" zugewendet werden können, was die Mehrkosten wohl auch decken könnte.


    Wegen jedem Pipifax einen Aufriss zu machen, ist nicht die Aufgabe des Staats. Ich sehe das völlig konträr zu Dir.

  • Derzeit bin ich mitten in einem solchen Verfahren.
    Habe während eines Spieles als SRA einen Faustschlag von einem Zuschauer "abbekommen".
    Sobald das Verfahren abgeschlossen ist, werde ich euch über das Ergebnis informieren.
    Soviel sei schon mal verraten, lustig ist das Ganze nicht! :thumbdown:

  • @ zettelbox
    Ich kann mit den unterschiedlichen Ansichten leben. Worauf es mir aber ankommt: Einerseits formuliert der Staat ein absolutes Gewaltmonopol und normiert auch die Strafverfolgung. Andererseits schiebt er aber die Verantwortung für Ermittlungen in bestimmten Fällen ab - und wenn das zudem, das belegst Du sehr klar, die Kosten bzw. das Kostenrisiko auf den Geschädigten überträgt, so stiehlt er sich aus der Verantwortung. Ich will auch nicht leugnen, dass das "öffentliche Interesse" ein sehr relativer Begriff ist, man könnte durchaus argumentieren, dass bei der Verfolgung einer Straftat - hier wurde ein recht hochrangiges Recht verletzt - generell öffentliches Interesse (die Wahrung des Rechtsfriedens) gegeben ist.

  • Beleidigung ist ein Antragsdelikt. Nur in den seltensten Fällen wird da generell ein großes öffentliches Interesse unterstellt. Das ist auch deswegen schon logisch, als dass man mich beleidigen kann und ich nur drüber lache, während andere deswegen möglicherweise tagelang schlecht schlafen. Aber hier werden wir auf keinen grünen Zweig kommen.


    Jetzt bin ich aber mal gespannt: Im Gegensatz zur Polizei und Staatsanwaltschaft war der beleidigte Schiedsrichter ja live beim Geschehen dabei, sozusagen Zeuge erster Klasse. Er kennt den Täter und das genaue Geschehen. Welche Kosten entstehen ihm nun beim Anstrengen einer Privatklage ganz konkret?

  • Welche Kosten entstehen ihm nun beim Anstrengen einer Privatklage ganz konkret?


    So, er kennt den Täter? Mit Namen und ladungsfähiger Anschrift? Wenn nicht, haben wir hier Kostenpunkt 1: Üblicherweise erhalten nur Anwälte Einsicht in Ermittlungsakten - und die wären hier notwendig, um an diese Daten zu kommen. Geben die Ermittlungsakten diese Daten nicht her, müssen diese anderweitig ermittelt werden - je nachdem auch ein sehr (kosten)aufwändiges Unterfangen.


    Eine Klage zu formulieren dürfte wohl die meisten juristischen Laien überfordern, ergo ist hier (wieder) ein Anwalt gefragt. Und der wird seine Leistungen berechnen, oft sogar einen Vorschuss verlangen.


    Und so weiter ...

  • So, er kennt den Täter? Mit Namen und ladungsfähiger Anschrift? Wenn nicht, haben wir hier Kostenpunkt 1: Üblicherweise erhalten nur Anwälte Einsicht in Ermittlungsakten - und die wären hier notwendig, um an diese Daten zu kommen.


    Kostet nicht die Welt und bekommt er zurück, wenn er den Prozess gewinnt.


    Zitat

    Geben die Ermittlungsakten diese Daten nicht her, müssen diese anderweitig ermittelt werden - je nachdem auch ein sehr (kosten)aufwändiges Unterfangen.


    Die Polizei hat den Fall aufgenommen, da wären die Personalien wohl das erste, was sie ermittelt hat.


    Eine Klage zu formulieren dürfte wohl die meisten juristischen Laien überfordern, ergo ist hier (wieder) ein Anwalt gefragt. Und der wird seine Leistungen berechnen, oft sogar einen Vorschuss verlangen.


    Das ist richtig, nur frage ich mich, wieso das bei Vergehen unterhalb jeder Relevanzschwelle vom Steuerzahler finanziert werden soll?


    Zur Klarstellung: Beleidigungen sind nicht in Ordnung. Dass der Zuschauer hier sogar auf dem Parkplatz noch rumspinnt, ist mehr als daneben. Dass der SR die Polizei gerufen hat, dementsprechend wahrscheinlich gerechtfertigt. Aber ist es wirklich angebracht, einzig wegen der Beleidigung einen Prozess anzustrengen, der von Dritten teuer bezahlt Monate später ausgetragen wird, um dann herauszufinden, ob der Zuschauer den Schiri wirklich "Arschloch" (oder was auch immer) genannt hat? Das steht doch in keinem Verhältnis, daher halte ich es für mehr als angebracht, dass der SR die Auslagen zumindest mal vorstrecken muss, wenn ihm die Verfolgung und ein Prozess derart wichtig ist.


    Jeden Tag begehen zigtausende Menschen kleine Vergehen, sei es aus Fahrlässigkeit oder mit Absicht: Autofahrer nehmen mir gefährlich die Vorfahrt, fahren zu dicht auf und nötigen mich, Personen beleidigen andere Personen, Personen erzählen hinter meinem Rücken eine verunglimpfende Unwahrheit über mich ... Alles voll daneben. Aber renne ich jetzt jedes Mal zum Ordnungsamt oder zur Staatsanwaltschaft, damit auf dem Rücken der Gemeinschaft ein Prozess vorbereitet und ausgefochten wird? Erinnert mich irgendwie an das Rennen in Mamas Schoß ...

  • Inhaltlich werden wir unsere Meinungsunterschiede aushalten müssen.


    Fakt ist, der SR muss in Vorlage treten und trägt das Prozessrisiko (von den Feinheiten wie Insolvenz des Schädigers mal ganz zu schweigen). Ich sehe beim öffentlichen Interesse übrigens schon einen deutlichen Unterschied, ob es um Beleidigungen zwischen Privatpersonen geht oder ob da nicht doch eine gewisse "Offizial"funktion (wohlwissend, dass wir SR keine Amtsträger im Sinne des Gesetzes sind) vorliegt, immerhin geht es hier auch, wie bereits dargelegt, um Prävention - und die sollte im öffentlichen Interesse liegen.

  • Ich erkenne in einem Monate später stattfindenden Prozess nicht die Prävention, die ich mir unter Prävention vorstelle. Jemand, der viele Minuten nach Abpfiff noch verbal auf den SR losgeht, befindet sich in einer psychischen Verfassung, die von rationalem Handeln sehr weit entfernt ist. Ob eine Geldstrafe, die mit so einem Zeitverzug und damit zumindest mental gar nicht mehr im Zusammenhang mit den Vorfällen stehend zu einer Änderung des Verhaltens führen kann, ist sicher ein Stück weit Glaubensfrage - ich glaube eher an das Gegenteil, nämlich dass durch so eine Bestrafung bei derart gepolten Personen eher ein Kollektivhass gegen Schiedsrichter geschürt wird.


    Für Prävention halte ich es im konkreten Fall, dass die Polizei möglichst schnell vor Ort ist, um den Täter an Ort und Stelle davon abzuhalten, weitere und vor allem schwerwiegende Straftaten zu begehen.


    Inhaltlich werden wir unsere Meinungsunterschiede aushalten müssen.


    Das kriegen wir hin. :thumbup: