Unsportliche Absicht bestrafen?

  • Folgende Regelfrage:

    Zitat

    Der Assistent zeigt eine Tätlichkeit eines Angreifers der Mannschaft A
    außerhalb des Blickfelds des Schiedsrichters mit der Fahne an.Bevor der Schiedsrichter das Fahnenzeichen erkennt, unterbricht er wegen eines unsportlichen Handspiels des Verteidigers der Mannschaft B das Spiel.
    Wie hat der Schiedsrichter zu entscheiden, wenn er das Fahnenzeichen nach dem geahndeten Handspiel sieht?

    Was meint ihr?
    FaD für den Angreifer ist natürlich klar, dF für Mannschaft A denke ich auch.
    Schließlich wird bei Vergehen beider Mannschaften immer das erste per Spielstrafe geahndet.
    Wo ich mir gerade nicht ganz sicher bin:
    Muss es für das unsp. Handspiel hier trotzdem :gelbe_karte: geben?
    Wenn wir hier statt des Handspiels von einem rücksichtslosen Foul oder einer Tätlichkeit reden, müsste man es bestrafen, da die Schwere des Vergehens hier unabhängig von der taktischen Wirkung ist.
    Hinter einem unsportlichen Handspiel steckt jedoch meistens eine taktische Absicht, was doch bedeuten würde, dass eine eventuelle Notbremse an selber Stelle auch per :rote_karte: geahndet werden müsste, oder?


    Bei diesem Gedanken ist mir dann die Szene in der letzten Saison beim Spiel Hertha BSC - Nürnberg in den Sinn gekommen.
    Da stand Schäfer weit weg vom Tor, Ronny schießt aus 30m aufs Tor, auf der Linie wehrt ein Nürnberger den Schuss mit der Hand ab -> Strafstoß + :rote_karte:
    Die Fahne von (glaube ich) Norbert Grudzinski war aber oben weil er meinte, ein im Abseits stehender Berliner hätte Schäfers Sicht verdeckt.
    Deshalb nahm Weiner die Entscheidung zurück und gab idF für Nürnberg.
    (siehe Spieldiskussion)


    Im Nachhinein bestätigte der DFB offiziell, es sei eine Fehlentscheidung gewesen, den Elfmeter zurückzunehmen.
    Woran ich aber erst jetzt gedacht habe:
    War es dann nicht noch eine Fehlentscheidung, neben dem Elfmeter auch die rote Karte zurückzunehmen?
    Das Handspiel auf der Torlinie gleicht schließlich einer Notbremse, deren Absicht zwar nur dann per FaD bestraft wird, wenn die Wirkung der Torverhinderung auch eintritt, diese Wirkung wurde hier aber erzielt und das Spiel erst danach unterbrochen.
    Folglich: Wenn Weiner den Elfmeter zurücknimmt, MUSS er dann nicht die rote Karte trotzdem stehen lassen?
    Das würde nämlich auch die oben genannte Regelfrage beantworten.
    Macht meine Überlegung jetzt überhaupt Sinn oder habe ich gerade einen Denkfehler? :D


    Bin auf eure Antworten gespannt!

  • Genau das habe ich mich ja auch gefragt...
    Ich dachte, da man bei der Torchancenverhinderung die unsportliche Absicht bestraft, ist diese ja auch gegeben, wenn der SR erst danach das Spiel wegen eines Vergehens, das sich davor ereignete, unterbricht.
    EDIT: das mit dem "davor ereignen" gilt beim Beispiel aus der BuLi dann nicht mehr. Für die Szene aus der Regelfrage aber schon!
    Insofern hatte ich wohl echt einen Denkfehler, meine Überlegung kam mir beim Schreiben schon irgendwie suspekt vor :D

  • Zitat

    FaD für den Angreifer ist natürlich klar, dF für Mannschaft A denke ich auch.


    Nein, der Freistoß ist für B.


    Die Gelbe Karte für den Verteidiger müsste es m.E. trotzdem geben, weil man in den Regeltext nichts hineininterpretieren soll. Da steht eben nicht von einem taktischen Handspiel oder dem Unterbinden eines Gegenangriffs, sondern "unsportlich" => Verwarnung.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Selbstverständlich war es damals vollkommen korrekt, dass, sofern auf Abseits entschieden wird, auch die Rote Karte zurückzunehmen ist; wo kein gültiges Tor verhindert werden kann, darf eben auch keine entsprechende Strafe ausgesprochen werden (und die Frage, ob das nun damals Abseits war oder nicht kann dabei offen bleiben). Davon unberührt bleibt die Unsportlichkeit des Handspiels, denn der Spieler wollte nicht etwa zwecks schnellerer Spielfortsetzung den Ball fangen, sondern hatte sehr wohl die Absicht, regelwidrig zu handeln und ein Tor zu verhindern. Zu seinem Glück kann er das nicht, dafür erspart er sich ja auch den FaD, aber wir reden hier ja nicht von einem reinen Versuch einer Unsportlichkeit, den Handkontakt gibt es ja, deshalb ist in einer solchen Situation nach meiner Meinung zwingend zu verwarnen.

  • Meiner Ansicht nach ist auch der reine Handkontakt nicht als Handspiel zu bestrafen, da das Spiel (im nachhinein) bereits unterbrochen war. Und versuchtes Handspiel ist nicht strafbar.
    Zu bestrafen ist der Versuch, regelwidrig ein Tor zu verhindern. Kommt in diesem Fall auf dasselbe hinaus- aber verwechseln darf man das nicht.

  • In der SRZ 2/2013 gibt es eine ähnliche Frage, mit der twas unklaren Antwort, nämlich dass es für das unsportliche Handspiel eine Verwarnung geben kann.

  • @BRiT
    Wäre das Spiel tatsächlich bereits unterbrochen gewesen, wird die Luft für eine Verwarnung deutlich dünner. Aber genau das war hier ja nicht der Fall, nach der Schilderung gab es ja zuerst den Handkontakt (in klar unsportlicher Absicht) und dann den Pfiff - und damit kommt nur noch der "Rabatt" von rot nach gelb zur Anwendung.

  • Zitat

    und damit kommt nur noch der "Rabatt" von rot nach gelb zur Anwendung.


    Und da fehlt mir die Begründung. Den "Rabatt" gibt es nur bei Torerfolg oder anschließendem Strafstoß (direkt geschossener idF).


    In dieser Situation gab es aber weder eine Torchance, die verhindert wurde, noch eine taktische Unsportlichkeit. Wir verwarnen auch keinen Spieler, der ein Handspiel begeht, wenn der Ball bereits knapp im Tor im Aus war.


    Jetzt kann nur noch das Handspiel selbst beurteilt werden und da fehlt mir die Vorstellung, wie ein unsportliches nicht taktisches Handspiel aussehen soll.

  • Der Unterschied ist, ob der Ball im Spiel war oder nicht. Wurde das Spiel bereits per Pfiff unterbrochen, war der Ball bereits im Aus oder im Tor, dann wird die Luft für eine Verwarnung sehr dünn, wie bereits geschrieben. Hier bleiben eigentlich nur noch die Sonderfälle übrig, die durch weitere Bestandteile wie Schauspielerei, Verächtlichmachung etc. das nicht mehr zu ahndende Handspiel zu einer Unsportlichkeit machen.


    Im konkreten Fall war der Ball aber noch im Spiel, der Spieler konnte also noch gar nicht wissen, dass das Spiel unterbrochen werden wird (schließlich kann sogar bei gehobener Fahne der SR den SRA überstimmen), die rückwirkende Wirkung des Pfiffes ist aber in der Regel auf die Spielstrafen beschränkt, bei den persönlichen Strafen greift die Rückwirkung nur insoweit, dass eben kein gültiges Tor erzielt werden konnte (hier Rabatt rot --> gelb), nicht jedoch bei Tätlichkeiten, Beleidigungen, groben Fouls etc.

  • Uns wurde aber auch gelehrt, dass (taktische) Unsportlichkeiten nur dann bestraft werden, wenn sie eingetreten sind, z. B. kein Gelb nach Halten bei Vorteil.


    Die Anweisung für die Gelbe Karten, wenn trotz Handspiel der Ball ins Tor geht oder das Handspiel auf einen direkt ausgeführten IdF folgt, konnte ich nur in den Regelfragen/- Antworten entnehmen. Für mich sind das Ausnahmen, die man nicht einfach auf andere Situationen ableiten darf.

  • Ich lasse mich gerne davon überzeugen, dass in dem Fall der Regelfrage die Gelbe Karte für das unsportliche Handspiel steckenbleiben darf, wenn das Lehrmeinung ist. Aber hört BITTE auf, diese Frage ständig mit den Fällen "taktisches Handspiel" und "Handspiel zur Torverhinderung" durcheinanderzuwerfen. Von den beiden letzteren sehe ich kein 'Wort in der Regelfrage!

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Es geht nicht immer nur um das formal richtige Beantworten von Regelfragen bei Leistungsprüfungen, sondern auch um die Praxis. Und selbst in der von mir in #8# verlinkten Regelfrage bzw. Antwort aus der SRZ, lässt das Wörtchen "kann" Fragen offen.


    Wenn der SR die Wahrnehmung seines Assistenten, nämlich die Tätlichkeit der Mannschaft A, anerkennt, dann war das Spiel ab diesem Zeitpunkt formal unterbrochen. Und während einer Unterbrechung darf jeder Spieler den Ball absichtlich mit der Hand berühren und kann kein auch taktisches Hand oder Foul begehen.

  • Mark, für das taktische Vergehen will hier ja auch keiner gelb ziehen...da liegst Du richtig, da das Spiel zu dem Zeitpunkt bereits rückwirkend unterbrochen war.


    Bei einem derartiten Handspiel wie beschrieben sehe ich aber noch den Vorsatz sich einen unsportlichen Vorteil zu verschaffen, da für den Spieler ja eben nicht absehbar ist, dass es zu einer Unterbrechung kommen könnte.

  • Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage wären, ob eine unsportliche Absicht strafbar ist. Meines Erachtens verhält sich das wie bei Handspiel. Der Versuch ist nicht strafbar, da die Regeln den Versuch nicht explizit als strafbar benennen.

  • Mit "Versuch" hat das aber rein gar nichts zu tun! Der Ball wurde unsportlich mit der Hand gespielt, von Versuch würden wir reden, wenn er den Ball nicht trifft.
    WENN es hier gelb gibt, dann nur deshalb, weil es einen Unterschied zwischen unsportlichem Handspiel und takt. Foulspiel gibt, da würde die GK ja schließlich stecken bleiben.