Tätlichkeit oder grobe Unsportlichkeit?

  • Also eigentlich ist die Sache klar für mich, aber zwei Kollegen hätten folgenden Vorfall eher als grobe Unsportlichkeit eingestuft:


    Spitzenspiel am gestrigen Sonntag in der Kreisliga A bei uns. Es steht mittlerweile 4:1 für die Gastmannschaft und designierten Aufsteiger in die Bezirksliga. Es kommt zu einer undurchsichtigen Einwurfsituation, die ich vermutlich auch nicht schnell genug und deutlich genug löse. Egal...es kommt wie es dann eben so kommt, beide Mannschaften wollen den Einwurf. Der eine Spieler holt den Ball, der andere nimmt ihm den Ball weg, andere Spieler kommen dazu,kleine Rudelbildung, mittlerweile bin ich auch schon dazwischen. Innerhalb dieser Rudelbildung schubst ein Spieler der Heimmannschaft den Gästekapitän zu Boden. Der Stoß war nicht wirklich heftig, aber sowas nutzt man als Spieler natürlich aus. Gästekapitän steht wieder auf, stellt sich wieder vor den Spieler der Heimmannschaft, der den Gästekapitän zwei weitere Male schubst/stößt wie man es auch nennen will. Die Sache ansich ist klar: Rote Karte, Feldverweis.


    Nun meine Frage: Tätlichkeit oder grobe Unsportlichkeit? Also für mich ists ne Tätlichkeit, schließlich wurde er einem Spieler gegenüber tätlich und hat ihn angegriffen. Ob nun geschubst oder geschlagen spielt da für mein Empfinden keine Rolle....


    Wie sieht ihr das?

  • Hallo.


    Sobald Hände, Füße oder sonstige Körperteile gezielt gegen den Gegenspieler in einer nicht dem Spiel entsprechenden Weise eingesetzt werden, kann es kein grob unsportliches Verhalten mehr sein.


    Daher würde ich hier Dir zustimmen und nicht den beiden Kollegen. Die Heftigkeit hat hier höchstens Auswirkungen auf das Strafmaß, nicht jedoch auf die Definition der Tat selbst.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Leider sehen das inzwischen viele Sportgerichte anders und verurteilen bei Schubsen und Stoßen nur noch wegen unsportlichen Verhaltens. Dies hat sicher auch dazu beigetragen, dass es zu mehr solchen "Attacken" kommt, weil ja die Strafe in der Regel mit einem oder zwei Spielen deutlich niedriger als bei Tätlichkeiten ausfällt. Ich bleibe bei meiner Meinung: Hand vorsätzlich am Körper des Gegners (oder natürlich auch Schiedsrichters) in nicht fußballtypischer Weise ist eine Tätlichkeit.

  • Was sollen die SG machen, wenn - wie gestern in der BL geschehen beim Spiel Augsburg - HSV geschehen - wir SR für Umschubsen noch nicht mal :gelbe_karte: geben.

  • Mir mittlerweile egal was sie in der BuLi machen - wer den Gegenspieler anfasst muss mit allem rechnen. Nicht mein Problem als SR. Wenn ich einen FAD für notwendig erachte- dann FAD. Wenn VW dann VW. "Grobe Unsportlichkeit" gibt es streng genommen nach Regel ohnehin nicht. Also Tätlichkeit Ende Aus. Wird ja immer schöner, wenn wir SR uns noch für FAD nach komplett unnötigen Spieler-Aktionen rechtfertigen sollen.

  • Ich denke, hier ne rote Karte zu ziehen, ist richtig. Was nachher ein Sportgericht daraus macht, sollte uns zunächst gleichgültig sein.

  • Zitat

    "Grobe Unsportlichkeit" gibt es streng genommen nach Regel ohnehin nicht.


    Ja, ich frage mich gerade ehrlich, was denn jetzt gemeint ist: Unsportlichkeit ist gelb, Tätlichkeit ist rot. Was ist eine "grobe Unsportlichkeit"? Dunkelgelbe Karte? Oder ist das ein Terminus vom Sportgericht?


    Wer seinen Gegenspieler schubst, muss immer damit rechnen, mit rot zu gehen (ergo: Tätlichkeit). Du hast das schon richtig gemacht. :top:

  • Beleidigung z. B.


    Schlussendlich liegen viele Urteile auch deshalb niedrig im Strafmass, weil die Meldung ungenügend firmuliert ist. Wenn ich entsprechend formuliere, wird der Spieler eben wegen einer Tätlichkeit verurteilt. Dann hat er mit beiden Händen gegen den Oberkörper geschlagen und nicht gestossen...

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Begrifflichkeiten: Schubsen ist Gelb, Stoßen ist Rot. In der Regel ist Schubsen wenn er nicht hinfällt, Stoßen wenn ja - aber manchmal kann auch ein Koloss von Rhodos gestoßen werden und stehenbleiben oder auch ein nur geschubster Spieler spielt eine Nebenrolle in einem Hollywoodkriegsfilm nach, das muss man unterscheiden können.


    Was das Sportgericht draus macht ist nicht unser Bier. Wir ziehen die korrekte Rote Karte, beschreiben die Situation und ob das Sportgericht dann das als grobe Unsportlichkeit, Tätlichkeit oder falschen Einwurf wertet ist nicht unser Ding.

  • Zitat

    Begrifflichkeiten: Schubsen ist Gelb, Stoßen ist Rot...


    Eben. Und was "Schubsen" und was "Stoßen" ist entscheidet der SR vor Ort situativ. Da liegen wir in den meisten Fällen auch richtig.

  • Schubsen ist Gelb, Stoßen ist Rot.


    Mal abgesehen davon, dass das nirgendwo im Regelwerk steht: In dem Moment, in dem der Gegenspieler seine Füße bewegen muss, um nicht zu fallen, liegt für mich spätestens eine Tätlichkeit vor. Ich bin Vertreter der Linie, dass die Hände nichts am Gegenspieler zu suchen haben (bestenfalls zur Abwehr eines Angriffs), das Risiko trägt der ausführende Spieler, im (für mich) schlimmsten Fall wird mein FaD eben annulliert.

  • Vielen Dank schon mal für eure Anregungen. Dann hab ich es wohl doch richtig bezeichnet im Sonderbericht, wobei mir der Unterschied zwischen Stoßen und Schubsen jetzt gar nicht so bewusst war, mir beim Lesen aber natürlich klar wurde. Unabhängig davon ob man nun bei Schubsen und Stoßen zwischn Gelb und Rot unterscheidet oder nicht, wenn ein Spieler zu Boden geht, dann aufsteht und der tätlich werdende Spieler noch zweimal seine Hand anlegt, ist ohnehin Feierabend. Leider habe ich aber versäumt dem Gestoßenen die Verwarnung zu zeigen, schließlich war der auch nicht ganz unschuldig an dem Theater. Aber war clever genug nach dem Feldverweis schnell das Weite zu suchen, so dass ich ihn aus den Augen verloren habe.

  • Zustimmung zu Manfred und ich würde es vielleicht sogar noch deutlicher sagen: Pauschale Merksätze wie "Schubsen ist gelb, Stoßen ist rot" können ja gern am Stammtisch in der Vereinskneipe nach dem Spiel ausgetauscht werden, wenn der böse Schiedsrichter rot gezogen hat, obwohl es doch eindeutig nur ein Schubser und nicht ein Stoß war. In einem SR-Forum sollten wir aber doch ein bisschen auf die Terminologie achten und da ist eine solche Aussage nicht korrekt. Im Gegenteil kann sie zur Verwirrung führen, wie man im Posting über mir von [Thomas] sieht.


    Also, weder die "grobe Unsportlichkeit" (nach der ich ja oben schonmal gefragt habe) noch der verwarnungswürdige Schubser sind irgendwo in den Regeln zu finden. Wenn ein Spieler einen anderen in der Spielruhe angeht, entscheidet der Schiedsrichter (meinetwegen aus dem Bausch raus), ob es sich um eine Tätlichkeit (dann rot! Egal, ob geschubst, gestoßen, geschlagen oder sonstwas) oder nur unsportliches Betragen (dann gelb!) oder vielleicht auch nichts von beidem gehandelt hat. Entscheidend ist natürlich die Intensität des Vorgangs.