Das Regelwerk ist eindeutig: Die Feststellung der Spielzeit ist eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters. Allerdings schreibt es ebenso klar vor, dass verlorene Zeit, also Zeiten, die wegen Auswechslungen, Behandlung von Verletzungen etc., aber auch für überlanges holen von Bällen nachgespielt werden muss. Dagegen ist vergeudete Spielzeit, also (vorsätzlich) langsame Ausführung von Abstößen, Einwürfen, Freistößen etc., aber auch bewusst langsames holen von Bällen nur im Rahmen der Vorteilsbestimmung nachzuspielen. Natürlich muss der Vorteil dabei auf der Seite der Mannschaft liegen, welche das Spiel eben nicht verzögert hat – und ein Vorteil ist auch nicht immer ganz einfach festzustellen, klar ist er nur, wenn die Mannschaft in Führung liegt (und selbst dann nicht immer). Insbesondere bei vergeudeter Zeit muss zudem berücksichtigt werden, dass es im Fußball bewusst keine Nettospielzeit gibt, ein gewisses Quantum an Spielzeit für die Ausführung von Abstößen, Einwürfen etc. also durchaus regeltechnisch einkalkuliert ist.
Damit hätten wir die regeltechnischen Grundlagen besprochen, aber grau ist alle Theorie. Ich kenne keine Uhr, die in der Lage wäre, neben der laufenden Dauer drei weitere erforderliche Zeiten zu stoppen (verlorene Zeit, vergeudete Zeit von Heim und vergeudete Zeit von Gast). Um dennoch zu einem praktikablen Modell zu kommen, einfach ein paar generelle Hinweise:
Bei sehr klarem Spielstand (Tordifferenz ca. 5 Tore oder mehr) gibt es nur dann eine Nachspielzeit, wenn es wirklich viel verlorene Spielzeit gab. Gleiches gilt bei Freundschaftsspielen, denn interessanterweise wird die Nachspielzeit besonders der zweiten Halbzeit meist zum Abschnitt mit der größten Hektik des ganzen Spiels, was bei Freundschaftsspielen absolut vermeidbar und bei klarem Ergebnis vollkommen überflüssig ist.
Verlorene Spielzeit stelle ich durch einen Blick auf die Uhr bzw. mittels einer zusätzlichen Stoppuhr fest, wobei ich nicht leugnen will, dass der „dicke Daumen“ meist gleich gute Ergebnisse liefert. Der dicke Daumen ist meist auch der beste Berater für die Festlegung der Nachspielzeit wegen vergeudeter Spielzeit. Der Blick auf die Uhr darf aber nie fehlen, das ist für alle Spieler und Zuschauer ein klares Zeichen, dass Du als SR hier eine Zeit feststellst; es muss ja niemand wissen, dass das eigentlich nur Schauspiel ist.
Viel wichtiger ist, dass es eigentlich kein Spiel gibt, in dem ich nicht (mindestens) eine Minute Nachspielzeit vertreten könnte, was besonders dann nützlich ist, wenn ich einem Torschützen den Torschuss nicht vom Fuß pfeifen muss. Dagegen lasse ich mich nie frühzeitig auf die Dauer einer Nachspielzeit festlegen, was besonders relevant ist, wenn die berühmte Frage „Wie lange noch?“ kommt. Dies beantworte ich mit „n Minuten plus“ ggf. ergänzt um „Nachspielzeit/ein bisschen“. Warum ich die Zeit vorher nicht angebe? Was passiert, wenn ich angebe „und mindestens 3 Minuten Nachspielzeit“? Ich habe mich ohne Not festgelegt, denn was mache ich, wenn die Mannschaft, die vorher munter Zeit vergeudet hat, plötzlich im Rückstand liegt? Ergo lasst es, den Spielern reicht es üblicherweise völlig aus, wenn Du als SR zu erkennen gibst, dass es Nachspielzeit geben wird – und die können nicht feststellen, ob das nun 10 Sekunden oder 10 Minuten waren ...
Die Nachspielzeit selber zeige ich, wie vorgesehen, in der letzten Spielminute an – und auch da meist erst gegen Ende, weil es immer Wissende auf und um den Platz gibt, die meinen, dass ich damit die Restspielzeit anzeige. Reichen 5 Minuten nicht aus, so erfolgt eine Mitteilung in einer Spielunterbrechung an beide Spielführer, die können das dann verbreiten.