Die Nachspielzeit - aber wie festlegen?

  • Das Regelwerk ist eindeutig: Die Feststellung der Spielzeit ist eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters. Allerdings schreibt es ebenso klar vor, dass verlorene Zeit, also Zeiten, die wegen Auswechslungen, Behandlung von Verletzungen etc., aber auch für überlanges holen von Bällen nachgespielt werden muss. Dagegen ist vergeudete Spielzeit, also (vorsätzlich) langsame Ausführung von Abstößen, Einwürfen, Freistößen etc., aber auch bewusst langsames holen von Bällen nur im Rahmen der Vorteilsbestimmung nachzuspielen. Natürlich muss der Vorteil dabei auf der Seite der Mannschaft liegen, welche das Spiel eben nicht verzögert hat – und ein Vorteil ist auch nicht immer ganz einfach festzustellen, klar ist er nur, wenn die Mannschaft in Führung liegt (und selbst dann nicht immer). Insbesondere bei vergeudeter Zeit muss zudem berücksichtigt werden, dass es im Fußball bewusst keine Nettospielzeit gibt, ein gewisses Quantum an Spielzeit für die Ausführung von Abstößen, Einwürfen etc. also durchaus regeltechnisch einkalkuliert ist.


    Damit hätten wir die regeltechnischen Grundlagen besprochen, aber grau ist alle Theorie. Ich kenne keine Uhr, die in der Lage wäre, neben der laufenden Dauer drei weitere erforderliche Zeiten zu stoppen (verlorene Zeit, vergeudete Zeit von Heim und vergeudete Zeit von Gast). Um dennoch zu einem praktikablen Modell zu kommen, einfach ein paar generelle Hinweise:


    Bei sehr klarem Spielstand (Tordifferenz ca. 5 Tore oder mehr) gibt es nur dann eine Nachspielzeit, wenn es wirklich viel verlorene Spielzeit gab. Gleiches gilt bei Freundschaftsspielen, denn interessanterweise wird die Nachspielzeit besonders der zweiten Halbzeit meist zum Abschnitt mit der größten Hektik des ganzen Spiels, was bei Freundschaftsspielen absolut vermeidbar und bei klarem Ergebnis vollkommen überflüssig ist.


    Verlorene Spielzeit stelle ich durch einen Blick auf die Uhr bzw. mittels einer zusätzlichen Stoppuhr fest, wobei ich nicht leugnen will, dass der „dicke Daumen“ meist gleich gute Ergebnisse liefert. Der dicke Daumen ist meist auch der beste Berater für die Festlegung der Nachspielzeit wegen vergeudeter Spielzeit. Der Blick auf die Uhr darf aber nie fehlen, das ist für alle Spieler und Zuschauer ein klares Zeichen, dass Du als SR hier eine Zeit feststellst; es muss ja niemand wissen, dass das eigentlich nur Schauspiel ist.


    Viel wichtiger ist, dass es eigentlich kein Spiel gibt, in dem ich nicht (mindestens) eine Minute Nachspielzeit vertreten könnte, was besonders dann nützlich ist, wenn ich einem Torschützen den Torschuss nicht vom Fuß pfeifen muss. Dagegen lasse ich mich nie frühzeitig auf die Dauer einer Nachspielzeit festlegen, was besonders relevant ist, wenn die berühmte Frage „Wie lange noch?“ kommt. Dies beantworte ich mit „n Minuten plus“ ggf. ergänzt um „Nachspielzeit/ein bisschen“. Warum ich die Zeit vorher nicht angebe? Was passiert, wenn ich angebe „und mindestens 3 Minuten Nachspielzeit“? Ich habe mich ohne Not festgelegt, denn was mache ich, wenn die Mannschaft, die vorher munter Zeit vergeudet hat, plötzlich im Rückstand liegt? Ergo lasst es, den Spielern reicht es üblicherweise völlig aus, wenn Du als SR zu erkennen gibst, dass es Nachspielzeit geben wird – und die können nicht feststellen, ob das nun 10 Sekunden oder 10 Minuten waren ... 8)


    Die Nachspielzeit selber zeige ich, wie vorgesehen, in der letzten Spielminute an – und auch da meist erst gegen Ende, weil es immer Wissende auf und um den Platz gibt, die meinen, dass ich damit die Restspielzeit anzeige. Reichen 5 Minuten nicht aus, so erfolgt eine Mitteilung in einer Spielunterbrechung an beide Spielführer, die können das dann verbreiten.

  • Bei sehr klarem Spielstand (Tordifferenz ca. 5 Tore oder mehr) gibt es nur dann eine Nachspielzeit, wenn es wirklich viel verlorene Spielzeit gab. Gleiches gilt bei Freundschaftsspielen, denn interessanterweise wird die Nachspielzeit besonders der zweiten Halbzeit meist zum Abschnitt mit der größten Hektik des ganzen Spiels, was bei Freundschaftsspielen absolut vermeidbar und bei klarem Ergebnis vollkommen überflüssig ist.

    Tja lieber Manfred- hier sprichst Du eines meiner Lieblingsthemen an. Während ich bei Beobachtungen schon Abzüge für andersfarbige, 5mm aus den Shorts herauslukende Unterziehradler bekommen habe und "Regelverstöße" attestiert bekommen habe, weil ich statt nach Foulspiel auf der Torlinie (neben dem Tor) gegen den TW auf Abstoß statt auf dFS für den Torwart entschieden hatte darf der SR bei der Nachspielzeit offenbar machen, was er will (nenn´ es üblich, nenn´es clever, nenn´es allgemein akzeptiert, nenn´ es wie Du willst)- Ausnahme offensichtliche, längere Unterbrechungen wie z.B. durch Gewitter.


    Das entspricht nicht dem Regeltext. Und deswegen ärgert es mich, dass auch Du nach völlig richtigem Zitat aus der Regel in oben genannten Fällen ignorierst, dass z.B. Auswechselungen nachgespielt werden müssen. Da steht "muss" und nichts anderes. Ob und wem dies jetzt passt und was allgemein anerkannt und gewünscht wird spielt keine Rolle. Aber bei 5 AW in der 2. HZ kann es auch bei Freundschaftsspielen und bei einem 10-0 Spielstand keine Nachspielzeit <2 Min geben- denn so schnell kann kein SR eine korrekte AW durchführen.


    Aber hier sind wir wieder bei dem alten Thema- was steht in der Regel und wie wird es gelebt (kürzlich von mir auch mit "Trend" bezeichnet). Nur aus Deinem Dilemma- wie mache ich es 100% richtig- kann ich Dir auch nicht heraushelfen.


    Da Du aber wie allgemein üblich bereits jetzt die Regel beugst ("Bei sehr klarem Spielstand (Tordifferenz ca. 5 Tore oder mehr) gibt es nur dann eine Nachspielzeit, wenn es wirklich viel verlorene Spielzeit gab. Gleiches gilt bei Freundschaftsspielen...") empfehle ich Dir, es so zu machen, wie die meisten anderen SR auch. Mit dem "Makel" die Regel nicht 100% umzusetzen musst Du dann in diesem Fall einfach leben, lieber Manfred. Das tun die allermeisten (inkl. Spitzen-) SR auch.

  • Soll ich Dich jetzt ärgern? Die Vorgehensweise entspricht durchaus Sinn und Geist der Regel! Was will die Regel? Genau, verhindern, dass durch Verzögerungen potenziell spielentscheidende Zeit fehlt. Bei klaren Ergebnissen ist das zweifelsfrei nicht gegeben, bei Freundschaftsspielen irrelevant. Außerdem erinnere ich daran, dass jede Auswechslung, die nachzuspielen wäre, einer Spielunterbrechung bedarf. Wir reden hier also nur über die Zeit, welche zusätzlich für die Auswechslung anfällt, nicht jedoch für die Zeit, in der ohnehin das Spiel noch nicht fortgesetzt werden könnte (ob das auch verlorene Spielzeit ist, wäre eine andere Betrachtung, kann sein, muss es aber nicht).


    Im Übrigen erinnere ich daran, dass wir uns im Bereich für Neulinge befinden - und da ist es wichtig zu verdeutlichen, dass wir keine Sekunden stoppen müssen, sondern eine gewisse Flexibilität haben. Mit dieser Sicherheit tut sich ein Neuling auf dem Platz sicherlich leichter - und wenn er die Karriereleiter aufsteigt, so wird man ihm in weiteren Schulungen schon beibringen, wie man das Instrument Nachspielzeit gehandhabt haben möchte; darüber sollten wir beide aber hier nicht diskutieren.

  • Genau in dem von Dir angesprochenen Thema haben wir alle Seiten lang und breit besprochen, das sollten wir jetzt nicht wiederholen. Ansonsten wiederhole ich:

    Im Übrigen erinnere ich daran, dass wir uns im Bereich für Neulinge befinden - und da ist es wichtig zu verdeutlichen, dass wir keine Sekunden stoppen müssen, sondern eine gewisse Flexibilität haben. Mit dieser Sicherheit tut sich ein Neuling auf dem Platz sicherlich leichter - und wenn er die Karriereleiter aufsteigt, so wird man ihm in weiteren Schulungen schon beibringen, wie man das Instrument Nachspielzeit gehandhabt haben möchte; darüber sollten wir beide aber hier nicht diskutieren.

  • Ach so- es geht hier um praktische Tipps für Neulinge- ja dann: Man frage seinen Lehr- oder Beobachtungswart, inwieweit er mit der allgemein üblichen Regelauslegung konform geht und welche "praktische Umsetzung" er für sinnvoll erachtet.


    Hier den Sinn und Geist der Regel heranzuziehen, welche präzise zwischen "kann" und "muss" bei der nachzuspielenden Zeit differenziert, finde ich persönlich einfach nur falsch. Wo explizit kein Ermessensspielraum ist, kann ich keinen erfinden. Aber diese Meinung habe ich ziemlich exklusiv- also bitteschön.


    Aber ärgern tust Du mich schon- einen Unterschied zwischen einem Freundschaftsspiel und einem C-Kreisklassenspiel kann ich nicht erkennen. Und das sollte auch nicht die Aufgabe von SRn sein, da zu differnzieren. Und wie hier im Forum auch schon zig Mal geschrieben mag es vielleicht für den Ausgang einer Begegnung völlig unerheblich sein, ob das Spiel jetzt 10-0 oder 11-0 ausgeht- für einen Wettbewerb (Auf- Abstieg z.B.) aber nicht. Insofern finde ich diese Begründung "es geht darum, potentiell spielentscheidene Zeit auszugleichen" zwar nett und kreativ formuliert aber am Ende einfach nur falsch.

  • Tja, wie hier wieder die Meinungen auseinander gehen. Ich bin auf Manfreds Seite. Bei klaren Spielständen will kein Mensch eine echte Nachspielzeit. Gestern z.B. hatte ich ein Spiel.Es stand schon nach 60 Minuten 3:0 für die Heimmannschaft. Die Gastmannschaft war frustiert und hat mich dauernd nach der Restdauer gefragt und sogar mich scherzhaft gebeten, 10 Minuten früher abzupfeifen. Man merkte die Mannschaft hatte keine Lust mehr. Sie fingen sich noch 2 Tore ein. Die Heimmannschaft spielte das locker runter. Nach exakt 90 Minuten hab ich die Gastmannschaft erlöst und die waren heilfroh, das es vorbei war. Dabei hätte ich ruhig 2 Minuten nachspielen, aber wem hätte das geholfen? Der führenden Heimmannschaft jedenfalls nicht und die Gäste wollten auch nicht mehr. Also geh ich doch nicht das Risiko ein.

  • Stopp! Die Grundsatzdiskussion haben wir schon einmal hier geführt und sollten das bei Bedarf auch dort fortsetzen. Hier bitte nur Dinge, die wirklich einen besonderen Schwerpunkt beim Komplex Nachspielzeit und Neulinge haben.

  • Die Antwort findest Du im Regelwerk und hier:

    Allerdings schreibt es ebenso klar vor, dass verlorene Zeit, also Zeiten, die wegen Auswechslungen, Behandlung von Verletzungen etc., aber auch für überlanges holen von Bällen nachgespielt werden muss. Dagegen ist vergeudete Spielzeit, also (vorsätzlich) langsame Ausführung von Abstößen, Einwürfen, Freistößen etc., aber auch bewusst langsames holen von Bällen nur im Rahmen der Vorteilsbestimmung nachzuspielen. Natürlich muss der Vorteil dabei auf der Seite der Mannschaft liegen, welche das Spiel eben nicht verzögert hat – und ein Vorteil ist auch nicht immer ganz einfach festzustellen, klar ist er nur, wenn die Mannschaft in Führung liegt (und selbst dann nicht immer). Insbesondere bei vergeudeter Zeit muss zudem berücksichtigt werden, dass es im Fußball bewusst keine Nettospielzeit gibt, ein gewisses Quantum an Spielzeit für die Ausführung von Abstößen, Einwürfen etc. also durchaus regeltechnisch einkalkuliert ist.


    Natürlich brauchst Du ein gewisses Gespür, wie lange eine Behandlung nun gedauert hat, um nur ein Beispiel zu nennen. Letzten Endes läuft es ohnehin auf den dicken Daumen hinaus, aber vergiss nie, einer Mannschaft, die dabei ist, Zeit zu vergeuden, klar mitzuteilen, dass eine Nachspielzeit durchaus möglich ist - lege Dich aber nie schon in diesem Moment darauf fest, denn am Ende ist womöglich die Vorteilsbestimmung anzuwenden und die vergeudete Zeit eben genau nicht nachzuspielen. Aber daran denken: Verlorene Zeit muss nachgespielt werden.

  • Nachspielzeit ist grundsätzlich immer möglich. Wenn es zu längeren Verletzungsunterbrechungen kam, dann würde ich auch in den untersten Jugenden (je nachdem wie weit bei euch eingeteilt wird) auch dort Nachspielzeit geben. Bei uns wird ab der D-Jugend eingeteilt und ab dort (vlt. auch ab C-Jugend) kann man sie auch sinnvoll einsetzen, weil oftmals dann auch die Mannschaften beginnen mehr auf Zeit zu spielen und taktischer werden.