Handspiel auf der Torlinie

  • Ich hätte da eine Frage, die bei uns in Österreich derzeit aus meiner Sicht bis in die höchsten Kreise offiziell falsch beantwortet wird. Eigentlich eine klare Sache möchte man meinen. Was meint ihr zu dieser Frage?


    Ein Abwehrspieler, der sich auf der Torlinie zwischen den Torpfosten befindet, wehrt mit den Händen einen Ball ab. Der Ball prallt zu einem Gegenspieler zurück, der direkt ein Tor erzielt. Welche Entscheidung trifft der Schiedsrichter?

    Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig. Man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist."


    Immanuel Kant


    "Ein Sieger findet für jedes Problem eine Lösung."
    "Ein Verlierer findet in jeder Lösung ein Problem."


    Corneille

  • Tor, Anstoß.


    Unsportlichekeit ist nicht zum Tragen gekommen. Da bedarf es keiner Verwarnung.


    Gesendet von meinem Milestone mit Tapatalk 2

  • Tor und Anstoß, weil eindeutige Vorteilsauslegung.


    Bleibt die spannende Frage nach der persönlichen Strafe: Ich denke, wir sind uns einig, dass der Fall eigentlich eine glasklare Rote Karte wäre. Nun liegt die Pille aber in der Kiste, ergo wurde keine klare Torchance mehr verhindert, also scheidet Rot aus. Dennoch liegt hier aber mehr als ein Versuch vor, schließlich kam es zum Handkontakt - und das ist aus meiner Sicht die Unsportlichkeit, die mit einer Verwarnung zu bestrafen ist. Der Umstand, dass das Handspiel, welches ja eine eindeutige unsportliche Ambition hatte, letztlich nicht erfolgreich war, ändert aber nichts an der Unsportlichkeit der Aktion. Fazit: Gelbe Karte.

  • Genauso einfache wie interessante Frage. Ich verstehe, worauf Du abzielst, und bin geade wirklich am grübeln... :)


    In einem Regeltest hätte ich ohne zu Zögern "Tor, Anstoß + VW" entschieden, aber theoretisch wäre die VW ja nicht gerechtfertigt, da die Unsportlichkeit nicht zum Tragen kommt. Analog: Ein Spieler spielt im Mittelfeld eine flanke zu einem gut postierten Mitspieler, doch ein Gegenspieler hält den Ball mit der Hand auf, um den Angriff zu unterbinden. Er berührt den Ball mit der Hand, doch der Ball gelang dennoch zum Mitspieler des Angreifers, der im weiteren Verlauf aus der Situation ein Tor erzielt. Entscheidung: Tor, Anstoß; i.A. keine pers. Strafe. Ähnlich müsste hier wohl auch entschieden werden, also würde ich gerade eher dazu tendieren, die VW wegzulassen...


    EDIT:

    Zitat

    Der Umstand, dass das Handspiel, welches ja eine eindeutige unsportliche Ambition hatte, letztlich nicht erfolgreich war, ändert aber nichts an der Unsportlichkeit der Aktion. Fazit: Gelbe Karte.


    Das ist ja eben die Schwierigkeit; bei einem unsportlichen Halten im Mittelfeld, bei dem sich der Angreifer allerdings losreißen kann und der SR auf Vorteil entscheidet, wird die gelbe ja eben auch idR. nicht nachgezogen. Mhm, schwierig...

  • Also, jeder kennt doch Handspiel auf der Linie, Ball geht trotzdem direkt ins Tor - GK, Tor, Anstoß. Warum sollte es hier anders sein?
    Der Versuch einer "Notbremse" per Hand ist halt als unsportliches Handspiel ausgelegt wenn es nicht zum Erfolg kommt (und wenn ja ist es Rot!)

  • Ich verstehe, worauf Du abzielst, und bin geade wirklich am grübeln... :)


    Nein, leider verstehst du es glaube ich nicht, bzw. bin ich froh, dass du es nicht verstehst, weil ich das auch nicht tue und auch nicht will. Es geht um einen so wie ich meine Druckfehler, oder Übersetzungsfehler eines Fragen und Antwortenkataloges. Der Fehler dürfte meines erachtens aber in Deutschland passiert sein, weil hier die Übersetzung gemacht wurde. In meinem englischen Original steht etwas anderes, dazu aber später.


    Zur Frage ob ich bei einem Handspiel bei Torchancenverhinderung und Vorteil dann noch eine Disziplinarkarte zeigen muss, steht ja im schönen Regelbuch etwas. Seite 127 im FIFA Regelbuch.


    Jetzt aber zum Detail. Hier steht, "wenn daraus direkt ein Tor entsteht." Was ist, wenn daraus wie bei dieser Regelfrage, indirekt ein Tor entsteht?

    Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig. Man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist."


    Immanuel Kant


    "Ein Sieger findet für jedes Problem eine Lösung."
    "Ein Verlierer findet in jeder Lösung ein Problem."


    Corneille

  • Kann mich den Vorrednern nur anschließen: Abwehr mit der Hand auf der Torlinie ist unsportlich, es gibt eine Verwarnung.


    Klassiker in Deutschland ist ja die Frage: Spieler wehrt einen Einwurf durch ein Handspiel auf der Torlinie ab, hier gibt es auch Gelb wegen der Unsportlichkeit, es wird ja kein Tor verhindert.

  • Warum gibts denn da Gelb? Es wird keine vorteilhafte Situation verhindert, anstelle von Abstoß für ihn gibts Elfmeter für die Gegner - ist Dummheit alleine schon unsportlich?

  • Das ist ja eben die Schwierigkeit; bei einem unsportlichen Halten im Mittelfeld, bei dem sich der Angreifer allerdings losreißen kann und der SR auf Vorteil entscheidet, wird die gelbe ja eben auch idR. nicht nachgezogen. Mhm, schwierig...


    Ich sehe dabei schon einen Unterschied. Im Regelbuch steht ausdrücklich, dass nur wegen des Haltens (alleine) nicht verwarnt wird, damit muss ein aussichtsreicher Angriff unterbunden oder der Gehaltene an der Einnahme einer günstigeren Position gehindert werden. Gelingt es also dem Spieler sich hier loszureißen und hat er daraus keinen weiteren Nachteil, so liegen die Voraussetzungen für die Verwarnung nicht vor.


    Die hier diskutierte situation ist insoweit aber anders, als dass das Handspiel durch die Torverhinderung vollendete Tatsachen schafft. Das Tor fällt ja erst "im Nachschuss", streng genommen also in einer neuen Spielsituation - und das macht aus meiner Sicht den entscheidenden Unterschied aus.


    Zur ergänzenden Frage von redrefer, was mit der Formulierung gemeint ist/sein könnte, dass unmittelbar ein Tor entsteht, so neige ich zu einer Analogie zur Vorteilsbestimmung, d.h. wenn eben wirklich ein Vorteil (innerhalb der wenigen Sekunden) eintritt, so kann von einem unmittelbaren Tor ausgegangen werden, nicht aber, wenn, warum auch immer, das Tor nicht oder eben erst nach Ablauf der "Nachpfeiffrist" erzielt wird.

  • Ich würde folgende Endscheidung treffen: Gelbe Karte, Tor/Anstoß.


    Vergleichssituation: ein Abwehrspieler spielt den Ball unsportlich (!keine Verhinderung einer klaren Torchance!) auf der Strafraumlinie mit der Hand, Angreifer erhält den Ball, kein Abwehrspieler mehr vor sich SR entscheidet auf Vorteil. Tor entsteht, ganz klar: Tor/Anstoß
    Und gelbe Karte für den Abwehrspieler wegen unsportlichem Handspiel.


    Diese Situation ist Regeltechnisch gleichzusetzen mit der von redrefer.

  • "Jetzt aber zum Detail. Hier steht, "wenn daraus direkt ein Tor entsteht." Was ist, wenn daraus wie bei dieser Regelfrage, indirekt ein Tor entsteht?"


    Ich glaube du setzt direkt hier zu kleinlich an, das direkt bezieht sich hier ja auf den Vorteil und bedeutet dementsprechend Torerzielung während der Vorteilssituation. In dem moment wo du hier auf Vorteil entscheiden kannst und das ist ja nur wenn ein Spieler unmittelbar vor dem leeren Tor in Ballbesitz kommt entsteht doch direkt das Tor.


    Indirekt ist in derartigen Formulierungen eigentlich immer dann wenn der Gegner zwischendurch noch in Ballbesitz kommt oder das Spiel unterbrochen wird.

  • Ich bin ganz deiner Meinung "Besserwisser", aber sollte das Wort direkt hier nicht besser weggelassen werden? Es steht auch im englischen Text.


    Könnte es nicht deswegen Schiedsrichter geben die den Text beim Wort nehmen und bei einer indirekten Torerzielung plötzlich auf die Idee kommen hier rot zu geben, weil ein Tor verhindert wurde?

    Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig. Man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist."


    Immanuel Kant


    "Ein Sieger findet für jedes Problem eine Lösung."
    "Ein Verlierer findet in jeder Lösung ein Problem."


    Corneille

  • Warum erinnert mich das an den § 133 des (deutschen) Bürgerlichen Gesetzbuches? Dort ist normiert, dass nicht am Wortlaut zu kleben, sondern nach dem tatsächlich Gewollten zu forschen ist. Ich denke, wir sind uns einig darüber, wie die "direkte" Torerzielung in diesem Kontext zu verstehen ist, wir sollten da nichts hineininterpretieren, was so nicht gewollt wurde. Ergänzend erinnere ich daran, dass die Regelung ohnehin begrenzten Sinngehalt hat, denn wenn hier ein Tor nicht "direkt" erzielt wird, ist der Schiedsrichter in dieser Situation, in der er ja zunächst die Vorteilsbestimmung anwendet, bei Nichteintritt des Vorteils verpflichtet, den verzögerten Pfiff zu nutzen (--> Rot). Und das es nicht sinn der Sache sein kann hier von "indirekt" zu sprechen nur weil der Ball vielleicht auf dem finalen Weg ins Tor noch von einem weiteren Spieler, gleich ob Angreifer oder Verteidiger, berührt wird, ist doch wohl auch eindeutig.

  • Das ist auch meine Meinung Manfred. Leider musste ich eine andere Meinung auf einem Lehrabend hören, bei dem ich Gast war. Nach Studium meiner Unterlagen habe ich tatsächlich in der deutschen Version die rote Karte gefunden. Ein Tippfehler wie ich glaube, jedoch gibt man an, irgendwo das auch so diskutiert zu haben. In der englischen Originalversion ist jedoch die meines Erachtens richtige Auflösung mit gelber Karte, Tor, Anstoß nachzulesen.

    Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig. Man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist."


    Immanuel Kant


    "Ein Sieger findet für jedes Problem eine Lösung."
    "Ein Verlierer findet in jeder Lösung ein Problem."


    Corneille

  • Aber basierend auf diesem Szenario würde mich mal folgendes interessieren, stellen wir uns vor der Spieler hält den Ball auf der Linie, von da springt der Ball zu einem Stürmer der zwei Meter vor dem Tor den Ball bekommt und nur noch das leere Tor vor sich hat, also alles für einen Vorteil ist gegeben, jetzt schafft der Spieler es aber völlig unbedrängt nicht den Ball ins Tor zu bringen sondern schießt daneben. Da der Vorteil ja eingetreten ist darf man nicht mehr nachpfeifen, Elfmeter gibt es also nicht aber dürfen wir hier die rote Karte trotz Vorteil ziehen?.

  • ich glaube man kann dass jedem Spieler klarmachen, dass die Pfeife nicht in Bruchteilen einer Sekunde im Mund hat und somit würde ich dass nicht als nachpfeifen sondern als "zu langsames Pfeifen" verkaufen und hätte dennoch die volle Akzeptanz auf dem Platz für diese Entscheidung...

    Ewald Lienen (Ehem. Trainer 1.FC Köln):
    Wir haben nicht das Recht, jede Entscheidung des Schiedsrichters zu kommentieren. Der lacht sich ja auch nicht tot, wenn wir einen Fehlpass spielen.

  • Ja das ist der Ansatz den ich normalerweise auch wählen würde, mich interessiert aber wie es letztendlich regeltechnisch ist.

  • Diese Variante, wohlwissend, dass das eben rein theoretisch ist, muss mit Rot und Abstoß bewertet werden. Rot, weil eine klare Torchance durch die Regelwidrigkeit verhindert wurde, und Abstoß, weil der Vorteil wirksam war und der Ball vom Angreifer über die Torlinie ins Aus geschossen wurde.