Rote Karte, ja oder nein?

  • Hallo liebe Schiedsrichterkolleginnen und -kollegen! ^^




    Ich hätte da eine Frage an euch. Gehen wir von dem Fall aus, dass ein Abwehrspieler auf der Torlinie einen Torschuss in Torwartmanier abwehrt und somit ein klares Tor verhindert (also rote Karte). Der Schiedsrichter pfeift aber nicht sofort ab, da der Ball nach vorne abprallt und ein Angreifer zum Nachschuss kommt. Dieser geht allerdings am Tor vorbei.




    Ich persönlich würde da rot geben, aber ein Kollege meinte letztens, dass das nur eine gelbe Karte nach sich ziehen könnte, da sich unmittelbar nach der Aktion eine weitere Torchance und ein Vorteil ergeben habe.






    Deshalb frage ich euch, ob das stimmen kann und ob ich bezüglich der Spielfortsetzung richtig liege und das Spiel mit einem Abstoß fortgesetzt wird.




    MfG,




    Mr. Sonderbar

  • So was würde ich nur machen wenn es ein sicheres Tor im Nachschuss ist. Wenn ers dann verhaut dann liegt es in der Regel daran dass er viel zu überrascht war, also hast du geschaut ob sich ein Vorteil entwickelt - kein Vorteil- Nachpfeifen, Rot+Strafstoß.

  • Bei einem Handspiel auf der Torlinie bzw. generell bei Feldverweisen gibt man keinen Vorteil, sondern unterbricht sofort und verhängt den FV und den Strafstoß. Kommt man allerdings auf die Idee nach dem Handspiel nicht zu unterbrechen und auf Vorteil zu entscheiden, dann kann man in die Bredullie kommen, wenn der "Vorteil" nicht genutzt wird. Denn dann ist es regeltechnisch nicht mehr möglich, wenn der Vorteil ausgeblieben ist, zurückzurudern.


    In der Praxis geht dies meist so schnell, dass der Nachschuss/Stochern so zeitnah ist, dass dies noch im Rahmen des Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozess verläuft (Sehen, beurteilen, Pfeife benutzen, Entscheidung umsetzen). In der Theorie muss man sofort pfeifen.

  • Und um auf deine Frage zu antworten, geht der Ball unmittelbar trotz Handspiel auf der Linie ins Tor, dann gibt es nur noch gelb zbd es geht mit Tor, Anstoß weiter.

  • Der Nachschuss geht ins Tor - Gelbe Karte (weil Tor wurde ja nicht effektiv verhindert), Tor, Anstoß
    Der Nachschuss geht daneben - Rote Karte (weil Tor wurde effektiv verhindert), Abstoß (Vorteil ist ja eingetreten, wurde aber nicht genutzt), ist´ne blöde Lösung


    Soviel zur Theorie, in der Praxis lösen wir das dann aber pragmatischer

  • Ich glaub ich würd das folgendermaßen lösen. Zum Zeitpunkt des Handspiels nehme ich die Pfeife in den Mund und renne direkt in Richtung Ort des Geschehens. Dies ist für die meisten Spieler schon ein Zeichen dafür, dass der Schiedsrichter reagiert.Sollte ich sehen, das der Vorteil nciht greift, pfeif ich noch solange der Ball noch im Spielfeld ist. Das ist also alles in einer Zeitspanne von vlt.max 2 Sekunden. Und so viel Zeit sollte man uns für einen Pfiff schon geben. Zumahl jeden Spieler ja klar ist das ein klarer Regelverstoss vorliegt und der Schiedsrichter reagieren muss...


    Gelbe oder rote Karte schon so wie Michael geschrieben hat.

    Ewald Lienen (Ehem. Trainer 1.FC Köln):
    Wir haben nicht das Recht, jede Entscheidung des Schiedsrichters zu kommentieren. Der lacht sich ja auch nicht tot, wenn wir einen Fehlpass spielen.

  • Der Nachschuss geht daneben - Rote Karte (weil Tor wurde effektiv verhindert), Abstoß (Vorteil ist ja eingetreten, wurde aber nicht genutzt), ist´ne blöde Lösung


    Bitte nicht. Du ziehst ja nach einem verschossenen Elfmeter nicht :rote_karte: nach. Wenn Du den Vorteil gewährst, ist wieder die 100%-Chance gegeben und Du kannst nur :gelbe_karte: zeigen.

  • Interessantes Problem - in der Theorie:
    Normalerweise, bei einem Foulspiel, wird die Vereitelung einer 100%igen Torchance (!) mit Rot bestraft.
    Regeltext: Rot für: "Vereiteln einer offensichtlichen Torchance für einen auf sein Tor zulaufenden
    Gegenspieler durch ein Vergehen, das mit Freistoß oder Strafstoß zu ahnden ist"
    Dies würde hier tatsächlich nicht eintreten, da die Torchance ja erhalten bleibt, andernfalls würde es keinen Vorteil geben.
    Bei einem normalen Foul würde ich mich also MrNice anschließen: Abstoß und Gelb.


    ABER: Im Regeltext heißt es auch: Rot für: "Verhindern eines Tors [!] oder Vereiteln einer offensichtlichen Torchance des
    Gegners durch absichtliches Handspiel."
    Das Tor wird also durch das Handspiel verhindert, und das Tor fällt in dieser Szene auch nicht mehr.
    Für mich hat Michal da recht, auch wenn es sich "irgendwie falsch" anfühlt.


    Die Aussage "Verhindern eines Tores" ist natürlich generell recht schwammig, da streng genommen ein Tor erst dann sicher ist, wenn es gefallen ist.


    In der Praxis sollte das sicherlich anders lösbar sein, solange es sich schnell abspielt: Pfiff, Rot, Strafstoß.

  • Hier meine Lösung:


    Pfiff- RK - Strafstoß --> in der Reihenfolge. Warum? Vorteil ist es dann, wenn ich es als SR so bewerte und das Spiel laufen lasse und nicht, wenn der Ball zufällig zum nächsten Spielr springt und der verballert die unverhoffte "Gnade". Unter Berücksichtigung der (nicht mehr aktuellen) 3-Sekunden-Überlegens-Zeitregel sollte das Ausreichen, um eine ordentlichen Entschluss als SR zu fassen und umzusetzen - der aus meiner Sicht nur wie oben beschrieben lauten darf! 8)

    Hohe Bildung kann man dadurch beweisen, dass man die kompliziertesten Dinge auf einfache Weise zu erläutern versteht.
    Geistlose kann man man nicht begeistern, aber fanatisieren kann man sie.
    Gelassenheit ist die angenehmste Form des Selbstbewußtseins!

  • Ich würde auch zu Spielunterbrechung, Rot, und Strafstoß neigen. Den Schuss am Tor würde ich als nicht wirksam gewordenen Vorteil betrachten, ob der Ball dabei ins Aus gegangen ist oder nicht, ist meiner Ansicht nach unerheblich. Denn "ins Aus" gehen ist keine Spielfortsetzung.

  • Ich würde wie folgt entscheiden:


    Also :gelbe_karte: für Verteidiger, wenn bei Vorteilsgewährung der unittelbar hierauf folgende Nachschuss ins Tor geht. Für mich eine Gesamt-Spielsituation und folglich keine Verhinderung einer klaren Torchance, daher nur :gelbe_karte: für das absichtlliche Handspiel.


    Eine :rote_karte: würde ich im Fall des Verschießens des Nachschusses bei Vorteilsgewährung trotzdem aussprechen. Wieder eine Gesamt-Spielsituation, bei der es nun jedoch durch das Handspiel zu einer Verhinderung einer klaren Torchance kam. Erfolgte der Nachschuss unmittelbar nach dem Handspiel und wird vergeben, würde ich nachträglich noch auf Strafstoss entscheiden und folglich den erfolgten Nachschuss als nicht wirksam gewordenen Vorteil werten.

  • In der Theorie würde ich immer Rot und Strafstoß geben, da es schwieriger ist, einen bewegten Ball aus der Eigenbewegung heraus so zu treffen, dass der Ball sicher ins Tor geht. Selbst wenn der Torwart gerade woanders rumturnt, kann selbst ein aufs Tor gebrachter Ball erneut vom Verteidiger abgeblockt werden. In der Theorie darf ich dann übrigens auch nicht nachpfeifen, weil der gewährte Vorteil der Nachschuss auf das Tor und nicht die Torerzielung selbst ist, und der ist ja eingetreten.


    In der Praxis habe ich das Problem in der Regel nicht, da der Schuss ja unmittelbar danach erfolgt. Da dürfte die Pfeife noch auf dem Weg zum Mund sein, und je nachdem wo der Ball landet, habe ich dann halt im Moment des Handspiels auf Strafstoß und Rot oder Vorteil und Gelb entschieden. ;)

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Hallo zusammen!


    Zunächst wollte ich mich bei euch für eure zahlreiche Hilfestellung bedanken :)


    Das ist schon ziemlich kompliziert, wenn solche Fragen mal bei ner Prüfung drankommen, dann gute Nacht... :D
    Wenn der Ball also nicht reingehen sollte, zieht man auf jeden Fall die rote Karte; das ist gut, da lag ich dann richtig.


    Spielfortsetzung dann in der Theorie Abstoß und in der Praxis Elfmeter wegen nicht wirksam gewordenen Vorteils, hab ich das richtig verstanden?

  • Die Theorie hat Michael wunderbar und vollkommen zutreffend erläutert.


    In der Praxis ist es eine philosophische Diskussion, ob man in dieser Situation einen Vorteil gewährt oder nicht - im Zweifelsfall konnte ich als SR eben nur nicht schnell genug pfeifen, so dass das Spiel immer mit FaD und Strafstoß fortgesetzt wird.

  • Mein Lehrwart hat mal kürzlich gesagt, wenn ein Spieler mit einer persönlichen Strafe den Platz verlassen muss (rot / gelb-rot)
    wir nicht auf die Idee kommen sollen Vorteil laufen zu lassen...


    Dazu steh ich auch, warum soll ich mich in irgendwelche Schwierigkeiten bringen, wenn ein Spieler so "blöd" ist?
    Wenn Hand auf Linie und Ball geht nicht rein, dann gibt es halt Rot und Strafstoß.. nix da mit Vorteil laufen lassen, Angreifer verschießt und dann gibts die Gelbe.. Nopp!


    Schöne Grüße!

  • Ich würde auf Elfmeter und F.a.D entscheiden.
    Eine Gelbe Karte gibt man, wenn der Ball im Tor ist.
    Aber bei dieser Entscheidung da würde ich sofort auf Elfmeter entscheiden, und wenn es einen Nachschuss gibt, so wie du es beschrieben hast, dann würde ich trotzdem auf :rote_karte: entscheiden, auch wenn der Ball neben das Tor geschossen wurde, und dann natürlich auch auf Elfmeter.

  • Übrigens: Auch wenn 99,9% der Fälle in der Praxis mit Strafstoß+Rot oder Tor, Anstoß+Gelb richtig entschieden sind, im absoluten Ausnahmefall würd ich auch praktisch auf Abstoß+Gelb entscheiden: Wenn der Ball wirklich frei und ungestört und kontrolliert vor einem Angreifer landet - der daraufhin vorm leeren Tor einen Fehlschuss des Jahrhunderts produziert.


    Ich würd hier dann nur Gelb+Abstoß geben. Den Vorteil (praktisch 100% erfolgswahrscheinliches Einschieben statt 75% erfolgswahrscheinlicher Strafstoß) gebe ich ohne zu zögern und wenn er ihn dann aus eigenem Verschulden nicht nutzt kann ich ihm auch nicht mehr helfen.


    Hm, hat mir gerade einen Denkansatz gegeben. Erste Minute eines wichtigen Spiels, Spieler klärt per Hand auf der Linie, Angreifer kann frei und ungestört etc. einschieben, sagt daraufhin "Danke, nehm aber Strafstoß und Rot." und schiebt ihn nicht ein.


    Für mich genauso Gelb+Abstoß. Klaren Vorteil wieder durch eigenes Verschulden nicht genutzt.

  • @ Nummer 4: Du hast da wahrscheinlich einen Denkfehler. Wenn der Schuss daneben geht, war die Chance nicht 100%, sonst wäre er ja rein gegangen. Wenn der Ball nicht unmittelbar nach der Notbremse korrekt im Tor landet, ist Rot zwingend. Sonst müsste die persönliche Strafe ja auch vom Ergebnis des Strafstoßes abhängen.


    Dein konstruierter Fall ist sicherlich interessant. Ich glaube aber nicht, dass der Angreifer seine Entscheidung vorher hörbar dem SR mitteilt. ;)


    Übrigens gab es so eine ähnliche Situation vor Jahren im CL Finale mit Lehmann bei Arsenal. Anstatt frühem Tor gab's Rot und Freistoß gegen Arsenal. da Arsenal erst kurz vor Schluss in Unterzahl den Ausgleich kassierte, stellte sich die Frage, ob der frühe Rückstand besser als die frühe Unterzahl gewesen wäre.

  • Wenn der Ball wirklich frei und ungestört und kontrolliert vor einem Angreifer landet - der daraufhin vorm leeren Tor einen Fehlschuss des Jahrhunderts produziert.


    Ich würd hier dann nur Gelb+Abstoß geben. Den Vorteil (praktisch 100% erfolgswahrscheinliches Einschieben statt 75% erfolgswahrscheinlicher Strafstoß) gebe ich ohne zu zögern und wenn er ihn dann aus eigenem Verschulden nicht nutzt kann ich ihm auch nicht mehr helfen.


    Und genau das halte ich für falsch. Hier wird wieder einmal Spielstrafe und persönliche Strafe vermischt, das ist nicht regelkonform. Das ist hart, wir fühlen uns dabei nicht wohl, aber so ist das Regelwerk. Und aus diesem Grunde hat der DFB ja beantragt, dass die Doppelbestrafung Rot + Strafstoß abgeschafft wird, weil durch einen Strafstoß die Torchance wieder hergestellt wird. Aber aktuelle Regelauslegung ist und bleibt nun einmal, Tor verhindert, also Rot.
    Anderes Beispiel: nach einer Ecke kann der Angreifer frei vorm Tor stehend den Ball einköpfen. Ein Verteidiger hindert ihn im letzten Moment durch ein hohes Bein daran, dieses erfolgreich zu tun. Was ist jetzt? Rot für Torraub und indirekter Freistoß wegen gefährlichen Spiels. Versteht kein Mensch, ist aber so.
    Bereits in meinen Anwärterlehrgängen versuche ich den Neulingen klar zu machen, es gibt eine Spielstrafe und eine persönliche Strafe. Und nicht immer hat man das Gefühl, dass die zueinander passen. Aber dafür werden wir nun einmal "bezahlt", dass wir das wissen und auch umsetzen. Alles andere ist ein sich-zurecht-legen der Regeln.

  • Sorry, ihr müsst mir jetzt nicht erklären was ne Spielstrafe und was eine persönliche Strafe ist oder dass man auch für einen idF Rot ziehen kann. Mir alles schon bewusst.


    Ich zitiere mal aus dem Regelbuch:
    Der Schiedsrichter kann bei jeglichem Vergehen Vorteil geben.
    Bei der Beurteilung, ob auf Vorteil entschieden oder das Spiel unterbrochen
    wird, hat der Schiedsrichter nach Möglichkeit folgende Aspekte zu berücksichtigen:
    Schwere des Vergehens: Zieht das Vergehen einen Feldverweis nach sich, unterbricht
    der Schiedsrichter das Spiel und verweist den Spieler des Feldes, sofern
    dadurch keine Torchance vereitelt wird,
    der Ort des Vergehens: je näher beim gegnerischen Tor, desto größer der
    Vorteil,
    Erfolgsaussicht eines schnellen, gefährlichen Angriffs,
    Spielatmosphäre.


    Der Entscheid zur Ahndung des ursprünglichen Vergehens ist innerhalb der
    nächsten paar Sekunden zu treffen.


    So, also nicht nur dass ich hier Vorteil geben kann, ich soll sogar Vorteil geben da ich sonst eine klare Torchance vereitele.
    Aber wenn ich Vorteil gegeben habe - nicht das Abwarten ob ein Vorteil besteht, sondern definitv bestimmt habe "hier ist ein Vorteil", im Normalfall mit den beiden Armen angezeigt - kann ich nicht zum Vergehen zurückgehen. Also spielen wir bis zur nächsten Unterbrechung weiter und dann wird die persönliche Strafe nachgereicht.
    Diesen Punkt "hier ist ein Vorteil" ist in meinen Augen erreicht wenn der Ball kontrolliert beim einschubbereiten Stürmer ist. Beim leistesten Zweifel würde ich noch abwarten, aber wenn ich den nicht habe muss ich konsequent "Vorteil!" entscheiden.


    Jetzt reden wir nur über die persönliche Strafe Rot für Torchancenvereitelung oder Gelb für ein unsportliches Handspiel. Da in meinen Augen die Torchance direkt weiterbestand wars für mich keine Torchancenvereitelung, also nur Gelb.


    Oder andersrum: Wenn ich nach dem Fehlschuss, den ich eindeutig nur der Unkonzentriertheit oder sogar dem Unwillen des Angreifers zuzuschreiben kann trotzdem Strafstoß + Rot gebe kriegt aus der Sicht der verteidigenden Mannschaft der Gegner zuerst im Rahmen der Vorteilsbestimmung eine klare Torchance, die er kläglich vergibt. Dann aber gebe ich auch noch Rot wegen Torchancenverhinderung obwohl doch eine klare Torchance bestand? Die Spielstrafe, Strafstoß, hat damit jetzt nichts zu tun. Der Strafstoß spielt aber eine Rolle dabei ob ich auf Vorteil entscheide oder nicht, denn da muss ich den Vorteil des Nicht-abpfeifens gegen den zu erwartenden Nutzen eines Strafstoßes aufwiegen. Aber da komm ich zu einem positiven Ergebnis, also ist Vorteil richtig.