Die Verwarnung - wann und wann nicht?


  • Klar, eigentlich ist im Regelwerk alles gesagt - aber ist es das wirklich?



    Zunächst gibt es die Pflichtverwarnungen. Wie der Name schon sagt, sind diese verpflichtend. Zu dieser Gattung zählen vor allem das unerlaubte Betreten oder Verlassen des Platzes (auch das vorzeitige Betreten bei einer Auswechslung), der übertriebene Torjubel, klare Unsportlichkeiten und natürlich der berühmt-berüchtigte Mauerabstand. Gerade der Mauerabstand ist ein großes Problem und es ist eine weit verbreitete Unsitte, dass sich ein Spieler der Mannschaft, die den Regelverstoß begangen hat, vor den Ball stellt und die Frage stellt, ob man als SR den Ball freigebe. Die Regel ist dabei ganz eindeutig und verlangt, dass die Spieler unaufgefordert den notwendigen Abstand herzustellen haben. Beim ersten derartigen Vorfall im Spiel kann man hier vielleicht noch großzügig sein und den Spieler mit „Weg vom Ball" verscheuchen, aber wir sind dafür da, die Regeln umzusetzen, nicht dafür, diese zu erklären. Kommt so etwas also wiederholt vor, muss der Gelbe Karton seinen Ausflug ans Tageslicht bekommen - und dann kann man einem Spieler vielleicht auch noch einmal kurz sagen, dass er sich immer ohne Aufforderung vom Ball zu entfernen hat. Ebenso klar ist, dass es bei Unsportlichkeiten kein Pardon geben darf: Schlägt also ein Spieler einen Ball weg, nachdem man gepfiffen hat, gibt es ein nettes Erinnerungskärtchen dazu. Ich will nicht leugnen, dass ich da manchmal auch zucke, vor allem, wenn der Spieler bereits verwarnt war und dann die Ampelkarte die logische Folge ist, andererseits ist er vorgewarnt und müsste wissen, dass er sich besonders regeltreu zu verhalten hat. Zieht das konsequent durch, sonst bekommt Ihr keine Linie ins Spiel! Zu guter letzt sind im Topf „Unsportlichkeiten" noch die Reklamationen - ein gewisses Quantum davon ist sicher erträglich, aber setzt die Schwelle eher niedrig an. Nicht jeder ist ein Schiedsrichtertyp, der schon für tiefes Luft holen Gelb gibt, was ich persönlich auch für zu kleinlich halte, aber wer den Spielern hier zu viel Luft lässt, bekommt auf kurz oder lang Probleme mit der Spielleitung; rechtzeitig eingesetzt wirkt manche Verwarnung echte Wunder!



    Dann gibt es auch noch die Verwarnungen für Fouls etc. Hier ist es vor allem wichtig, dass Ihr berechenbar bleibt. Relativ klar dürfte sein, wann ein aussichtsreicher Angriff vorliegt, das ergibt sich aus der Spielsituation und das hat man auf kurz oder lang im Gefühl. Gleiches gilt für die rücksichtslosen Fouls, wobei hier zu beachten ist, dass es gut ist, im Bedarfsfall auch früh eine „Duftmarke" zu setzen - in meinem letzten Spiel hatte ich in der 3. Minute eine solche Karte, danach war diesbezüglich die ganze erste Halbzeit Ruhe.



    Natürlich können nicht alle Vergehen, für die zu verwarnen ist, hier aufgezählt werden, dafür gibt es in der Summe einfach zu viele Variationen. Zwei Dinge sind aber unbedingt noch zu erwähnen: Für technische Vergehen (Abseits und falscher Einwurf) darf es nie eine Verwarnung geben, auch nicht beim zweiten Punkt, der mir besonders am Herzen liegt und der manche Spielleitung wesentlich erleichtern kann, auch wenn er Konfliktpotenzial beinhaltet: Das Regelwerk spricht ausdrücklich davon, dass auch für wiederholte Verstöße gegen die Spielregeln eine Verwarnung auszusprechen ist! Das ist von besonderer Bedeutung, weil das die einzige Variante ist, mit der man „Allerweltfouls" eindämmen kann, die sonst gerne zu gröberen Foulspielen und Revanchefouls eskalieren - und die viel zu selten genutzt wird.



    © Manfred von www.fussball-sr.de


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  • Wieder mal ein super-schöner Text Manfred!

    :gelbe_karte:MY WAY FAIR PLAY:rote_karte: | "Nicht ganz sauber, nicht ganz fein - aber es muss ja nicht gleich ein Strafstoß sein!" (Lutz-Michael Fröhlich)

  • Manfred, dieser Text könnte bzw. sollte jeder Anwärter im Lehrgang vorgelegt bekommen! Klasse!!! :top:

    "Ein J.R. Ewing hat keine Magengeschwüre! Ein J.R. Ewing verursacht sie!"
    J.R. lebt! In memorarum an Larry Hagman (1931 bis 2012). Danke für die tolle Zeit bei DALLAS!!!

  • Ich würde bei dem wiederholtem Foulspiel noch hinzufügen, dass sowohl zeitlicher Abstand als auch Intensität die Entscheidung über eine Verwarnung beeinflussen. Je härter die Fouls sind und je kleiner der zeitliche Abstand desto eher sollte man den betroffenen Spieler verwarnen. Bereits 2 Vergehen können für eine Verwarnung wg. wiederholtem Foulspiel ausreichen. Dazu muss es nicht das selbe Vergehen sein, jemand kann z.b. für eine Kombination aus Foul- und Handspiel verwarnt werden.


    Auf jeden Fall ein guter Text!

  • Ach Nummer4, das Problem ist doch, die wesentliche Kernaussage zu extrahieren. Wie Dir vielleicht entgangen ist, kommt beispielsweise das Handspiel und wann dabei zu verwarnen ist und wann nicht, im Artikel überhaupt nicht vor - und dabei ist die Torerzielung per absichtlichem Handspiel ebenfalls eine Pflichtverwarnung. Es ist weder sinnvoll noch hilfreich das Regelwerk abzuschreiben noch auf jedes Detail einzugehen, dann würde der Artikel viel zu lang und zu unübersichtlich werden. Natürlich könnte ich das, was meines Erachtens wirklich wichtig ist, auch in wenigen Sätzen ausdrücken:


    - Pflichtverwarnungen sind zu verhängen, auch wenn das die Ampelkarte bedeutet, da es keinen Spielraum gibt
    - Verwarnungen haben beim Einsatz zum richtigen Zeitpunkt deeskalierenden Charakter und sie sind auch für wiederholte Regelverstöße möglich, selbst wenn der eigentliche Regelverstoß nicht verwarnungswürdig ist
    - für technische Vergehen darf es keine Verwarnung geben, selbst wenn der Spieler den 100. falschen Einwurf macht


    Aber hätten diese 3 Thesen Wirkung? Oder klingen sie eher theoretisch abgehoben und sind womöglich sogar schwer nachvollziehbar?


    Es ist nicht meine Absicht Lehrbücher zu verfassen, aber ich möchte versuchen etwas von dem weiter zu geben, was ich als Zuschauer gesehen (was machen Kollegen gut oder auch nicht) bzw. was ich selbst erlebt habe (und auch da weiß man im Nachgang meist, wo man gut agiert hat bzw. was man besser getan hätte). Wenn das den Einen oder Anderen zu einem Denkprozess anregt, sich nochmals mit Szenen aus eigenen Spielleitungen zu beschäftigen bzw. Neulingen die Angst nimmt beispielsweise eine Pflichtverwarnung auszusprechen, dann wäre ich schon richtig gut gewesen - mehr will ich auch gar nicht, denn ich kann keine Schulung o.ä. ersetzen.

  • Zitat

    - für technische Vergehen darf es keine Verwarnung geben, selbst wenn der Spieler den 100. falschen Einwurf macht

    Wenn nach Einschätzung des SR ein Spieler wiederholt falsch einwirft, um das Spiel zu verzögern, würde ich eine Verwarnung (wegen Verzögerung der Wiederaufnahme des Spiels) nicht generell ausschließen.

    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
    (Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, *1830 +1916)


    "Mancher ist für die Wahrheit, solang die Wahrheit für ihn ist."
    (Charles Tschopp, schweizer Schriftsteller, *1899 +1982)

  • Wird das vermeintlich technische Vergehen (falscher Einwurf) in dem Fall nicht zu einer Unsportlichkeit (Zeitverzögerung), was lt. Regelbuch immer eine Verwarnung zur Folge hat?!

  • Sorry, aber dafür sehe ich keine Regelgrundlage. Im Gegensatz zu den Maßnahmen wie wiederholtes Abbrechen des Einwurfs, mehrfaches Anlaufen bei der Ausführung von Freistoß, Eckstoß oder Abstoß bringt der Spieler den Ball ins Spiel. Damit wurde das Spiel fortgesetzt, eine Spielverzögerung liegt nicht vor. Die einzige denkbare Ausnahme wäre, wenn der Spieler mit offenkundiger Absicht den Ball weit aus dem Feld wirft, d.h. der Ball entweder gar nicht ins Spielfeld kommt oder bei einem Einwurf nahe der Torlinie weit darüber geworfen wird.

  • Ich seh auch keine Unsportlichkeit in diesem Fall. Den Einwurf an den Gegner abzugeben kann auch eine - vielleicht nicht die klügste - legitime Taktik sein, damit der einwerfende Spieler in den Defensivverbund wieder eintreten kann.


    Was ich nicht verstehe: "bei einem Einwurf nahe der Torlinie weit darüber geworfen wird" - wenn er den Ball in Spiel gebracht hat und dann gleich ins Toraus wirft ist das genauso legitim für mich. Er muss ja nicht riskieren durch einen laschen Einwurf vielleicht den Gegner noch im Feld rankommen zu lassen.


    In beiden Fällen gibt die Mannschaft den Ball direkt an die Gegner ab - da würde ich sagen: Lasst sie doch. Eigentlich ziemlich dumm von ihnen.

  • Stelle Dir folgendes Beispiel vor: Ein Spieler von Mannschaft A, die kurz vor Spielende knapp in Führung liegt, hat wenige Meter vor der gegnerischen Torlinie einen Einwurf. Der Spieler wirft den Ball regelkonform in Richtung Feld, aber mit der klar erkennbaren Absicht, dass dieser Ball die gegnerische Torlinie überschreiten soll (es kommt also zum Abstoß) und zwar in einer Art und Weise, die zweifelsfrei darauf abzielt, dass der Ball sich möglichst weit vom Tor entfernt bzw. aufwändig geholt werden müsste (bzw. ein Ersatzball zum Einsatz kommen muss). Der Einwurf an sich ist damit sicher regelkonform, dennoch besteht hier natürlich der dringende Verdacht, dass Zeit geschunden werden soll. Sicher ist damit der Einwurf an sich nicht strafbar, da nicht falsch, dennoch kommt hier eine Verwarnung in Betracht - allerdings nicht wegen eines technischen Vergehens sondern wegen der Unsportlichkeit.


    Ähnlich ist es, wenn der Spieler den Ball so wirft, dass dieser womöglich nicht mal ins Spiel kommt, sich aber möglichst weit vom Feld entfernt. Hier war der Ball nicht einmal im Spiel und auch hier kann das technische Vergehen beim Einwurf nicht mit einer Verwarnung belegt werden, dennoch kommt hier eine Verwarnung für die Unsportlichkeit in Betracht.


    Fazit: Für den Einwurf an sich kann, gleich ob richtig oder falsch, nie eine Verwarnung ausgesprochen werden, weil es eben immer ein technisches Vergehen ist - das war auch mein Kontrapunkt zu almikos Aussage. Dennoch ist es natürlich möglich, dass ein Einwurf, gleichgültig ob richtig oder falsch ausgeführt, zu einer persönlichen Strafe führen kann, allerdings eben für die unsportliche Absicht oder sogar für Tätlichkeit (absichtliches heftiges Anwerfen eines Spielers).

  • Stelle Dir folgendes Beispiel vor: Ein Spieler von Mannschaft A, die kurz vor Spielende knapp in Führung liegt, hat wenige Meter vor der gegnerischen Torlinie einen Einwurf. Der Spieler wirft den Ball regelkonform in Richtung Feld, aber mit der klar erkennbaren Absicht, dass dieser Ball die gegnerische Torlinie überschreiten soll (es kommt also zum Abstoß) und zwar in einer Art und Weise, die zweifelsfrei darauf abzielt, dass der Ball sich möglichst weit vom Tor entfernt bzw. aufwändig geholt werden müsste (bzw. ein Ersatzball zum Einsatz kommen muss). Der Einwurf an sich ist damit sicher regelkonform, dennoch besteht hier natürlich der dringende Verdacht, dass Zeit geschunden werden soll. Sicher ist damit der Einwurf an sich nicht strafbar, da nicht falsch, dennoch kommt hier eine Verwarnung in Betracht - allerdings nicht wegen eines technischen Vergehens sondern wegen der Unsportlichkeit.

    Hier muss ich dir widersprechen. Er bringt den Ball ins Spiel, was danach passiert ist egal.
    Oder würdest du, wenn ein Spieler im laufenden Spiel den Ball weit ins Aus schießt, auch Gelb geben? Das ist aus meiner Sicht durch keine Regel gedeckt.


    Zitat

    Ähnlich ist es, wenn der Spieler den Ball so wirft, dass dieser
    womöglich nicht mal ins Spiel kommt, sich aber möglichst weit vom Feld
    entfernt. Hier war der Ball nicht einmal im Spiel und auch hier kann das
    technische Vergehen beim Einwurf nicht mit einer Verwarnung belegt
    werden, dennoch kommt hier eine Verwarnung für die Unsportlichkeit in
    Betracht.

    Das ist etwas anderes. Wenn klar erkennbar ist, dass er den Ball absichtlich weg wirft und er nicht ins Spiel kommt, kann man die Verwarnung geben.


    Ansonsten fällt mir dazu noch der Abstoß/Freistoß ein, der wiederholt im eigenen Strafraum angenommen wird um die Wiederholung zu erzwingen.

  • Oder würdest du, wenn ein Spieler im laufenden Spiel den Ball weit ins Aus schießt, auch Gelb geben? Das ist aus meiner Sicht durch keine Regel gedeckt.


    Wenn ein Spieler ohne bedrängt zu werden den Ball "mit Schmackes" in die Pampas befördert und dies offenkundig in der Absicht erfolgt, die Spielfortsetzung zu verzögern, so ist das für meine Begriffe unsportlich und eine Verwarnung sehr wohl durch Regel 12 gedeckt; ob diese verhängt wird hängt vom Einzelfall ab, nachgespielt wird dies unter Beachtung der Vorteilsbestimmung als vergeudete Spielzeit.


    Um aber zum eigentlichen Thema zurück zu kommen:
    Für das rein technische Vergehen des falschen Einwurfes kann es, selbst wenn das nach meiner Ansicht absichtlich gemacht werden sollte, nie eine Verwarnung geben. Andererseits gibt es eine große Anzahl anderer und besserer Möglichkeiten, Spielzeit - sogar regelkonform - zu schinden, mit falschen Einwürfen ist der Effekt eher marginal.


  • Wenn ein Spieler ohne bedrängt zu werden den Ball "mit Schmackes" in die Pampas befördert und dies offenkundig in der Absicht erfolgt, die Spielfortsetzung zu verzögern, so ist das für meine Begriffe unsportlich und eine Verwarnung sehr wohl durch Regel 12 gedeckt; ob diese verhängt wird hängt vom Einzelfall ab, nachgespielt wird dies unter Beachtung der Vorteilsbestimmung als vergeudete Spielzeit.


    Um aber zum eigentlichen Thema zurück zu kommen:
    Für das rein technische Vergehen des falschen Einwurfes kann es, selbst wenn das nach meiner Ansicht absichtlich gemacht werden sollte, nie eine Verwarnung geben. Andererseits gibt es eine große Anzahl anderer und besserer Möglichkeiten, Spielzeit - sogar regelkonform - zu schinden, mit falschen Einwürfen ist der Effekt eher marginal.


    Zum einen: nein, eine Verwarnung für das Schießen des Balls in die Pampa ist mit Sicherheit nicht zulässig. Denn der Ball befindet sich im Spiel und was der Spieler dann mit dem Ball anfängt ist schlicht seine Sache. Das ist zwar nicht sonderlich fair aber zulässiges Spielhandeln. Wir sollten uns als Schiedsrichter nicht so weit rauslehnen und damit beginnen zu versuchen, die Gedanken von Spielern lesen zu wollen. Vllt. hat der Spieler den Ball ja auch nur unglücklich getroffen oder wollte einen Weitschuss aus 80m Metern probieren :D


    Zum anderen: für technische Verstöße wie falscher Einwurf oder aktives Abseits kann es nie eine persönliche Strafe geben. Zudem ist ein Spieler, der einen falschen Einwurf zum Zeitschinden benutzt, wenig clever, schließlich kommt anschließend die gegnerische Mannschaft zum Einwurf. Wenn nun ein Spieler meint, er sei so clever zu sein um mit falschen Einwürfen, die nicht ins Spielfeld gelangen, mehrere Einwurversuche zu erlangen, dann gucke ich mir das vllt. zwei Mal an. Beim dritten deartigen Versuch habe ich dann den Ball eindeutig im Spielfeld gesehen und Ende im Gelände -> falscher Einwurf, der Gegner hat den Bll. Ich lass mich doch nicht von Spielern verkaspern.