Elfmeterschießen: Torwart verletzt vs. FaD

  • Aus dem Regelheft (10/11), S. 115 (Auslegung der FIFA):



    • Während des Elfmeterschießens darf ein Spieler, der sich verletzt, nicht ersetzt werden (Ausnahme: Torhüter)

    • Wird der Torhüter während des Elfmeterschießens des Feldes verwiesen, muss einer der teilnahmeberechtigten Feldspieler an seiner Stelle ins Tor.



    Dazu folgende zwei Annahmen von mir (solltet ihr diese als falsch ansehen, widersprecht mir):
    zu 1): Ein Torhüter darf, wenn er sich während des Elfmeterschießens verletzt, durch einen Spieler auf der Auswechselbank ersetzt werden.
    zu 2): Der Feldspieler, der die Position des Torhüters einnimmt, gilt fortan als Torhüter und hat dieselben Rechte und Pflichten.


    Nun die konkrete Situation: Ein Torhüter wird während des Elfmeterschießens des Feldes verwiesen (z. B. weil er den Schützen vor Ausführung des Schusses beleidigt). Nun muss also (wegen 2)) ein teilnahmeberechtigter Feldspieler die Torhüterposition einnehmen. So weit, so gut.


    Nun hat die Mannschaft allerdings noch einen (ausgebildeten, guten, was auch immer) zweiten Türhüter auf der Bank. Den möchte sie nun irgendwie ins Spiel bringen, doch dieser ist für das Elfmeterschießen natürlich nicht zugelassen (stand bei Abpfiff nicht auf dem Spielfeld). Da fällt dem Feldspieler, der nun die Position des Torhüters eingenommen hat, folgender Schachzug ein: In einem ungesehenen Moment (und im konkreten Fall noch vor Ausführung des Schusses nach FaD gegen den ursprünglichen TW) vertritt er sich und verstaucht sich seinen Knöchel, sodass er nicht mehr weiterspielen kann. Gemäß 1) und 2) dürfte er als Türhüter ja jetzt durch den Ersatztorwart auf der Bank ersetzt werden.


    Muss / darf der SR dies zulassen? Hat er eine Möglichkeit, dieses (offensichtlich unsportliche) Vorgehen zu unterbinden, ohne dabei einen Regelverstoß zu begehen? Oder muss er dies sogar unterbinden, aber wenn ja, auf welcher Regelgrundlage?


    Auf eure Meinungen gespannt,
    zettelbox

  • Diesen Gedanken hatte ich als Spieler und auch als Schiedsrichter schon. Es müsste vollkommen "legal" sein, wir sind wie es oft gesagt wurde keine Ärzte, wenn ein Spieler sich als verletzt bezeichnet dann muss man ihm eben glauben.


    Wenn seine Tarnung auffliegt weil der Herr doch trotz verstauchtem Knöchel zum Beispiel zum Jubelsprint ansetzt bliebt nur die Meldung im Spielbericht, die ich sowieso machen würde, aber wenn er sich noch so dumm verhält und erkennbar nicht verletzt ist würde ich dies besonders erwähnen und dann wird er doch unwahrscheinlicher wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.


    Interessant ist, was ist wenn ein bereits (legitim, vor dem Feldverweis) verletzter Spieler ins Tor geht und dann sofort den Wechsel verlangt. Aber da er sich nicht während des Strafstoßschießens verletzt hat müsste man dem Wechsel nicht zustimmen. Dabei ist das Verhalten deutlich weniger unsportlich, im ersten Fall betrügt man vorsätzlich, im zweiten Fall würde ich niemandem Betrug sondern eher den verständlichen Versuch eine Regel zum eigenen sportlichen Vorteil auszulegen.
    Und wenn in so einem Fall der verletzte Spieler sich während des Strafstoßschießens, aber noch als Feldspieler, verletzt hat, was dann? Oder wenn er eben behauptet es legitim versucht zu haben, er aber dadurch seine Verletzung verschlimmerte? (Im letzten Fall müsste man meiner Meinung nach wieder dem Wechsel zustimmen)


    Meiner Meinung nach müsste das Elfmeterschießen unter Berücksichtigung von Verletzungen und Platzverweisen, die natürlich in einem 120 Minuten ausgekämpften Entscheidungsspiel überproportional häufig vorkommen, sowieso komplett überarbeitet werden.
    Die Bestimmung mit dem Torwartwechsel ist ja nett gedacht, aber eben ist es viel wahrscheinlicher das der Torwart vom Platz fliegt und dann fängt das unsportliche getrickse an. Eine besondere Verletzungsgefahr hat der Keeper ja da nicht, aber eine besondere Gefahr hinunterzufliegen schon, man denke nur an Weidenfeller im Pokalspiel letztens.
    Einfach ersatzlos streichen, wenn der Kapitän oder der beste Elfmeterschütze sich verletzt darf ich ihn auch nicht mit einem Spieler mit vergleichbaren Fähigkeiten ersetzen sondern muss auch mit einem weniger starken Spieler auskommen und so sollte es auch beim Keeper sein. Gerade sind manche Torhüter eben als Strafstoßkiller bekannt, wenn man so einen auf der Bank hat dann WILL man sich als Stammkeeper doch "verletzen". Wenn man den Ersatztorwart aufs Feld bringen will oder muss macht man es halt in der 119. Minute, danach ists zu spät und ein Feldspieler muss reichen.
    Und zu den Platzverweisen: Zur Zeit ist es ja das sinnvollste wenn man als letzter Schütze einer Mannschaft sich einen Platzverweis abholt, man hilft damit der eigenen Mannschaft immens da dann eben der beste Schütze anstelle des schlechtesten antritt. Oder sogar gleich 2 oder 3 Spieler. Es muss halt erst in einem wichtigen Spiel tatsächlich passieren damit so eine Regellücke gestopft wird.
    Ich stelle mir nur ein wichtiges Finalspiel vor wo die Mannschaften auf solche Ideen kommen werden und das Geschrei welches es dann vor den Fernsehern gibt.
    Für Platzverweise während des Spiels wurde doch auch eine Regel eingeführt, warum nicht gleich auch für Platzverweise im Elfmeterschießen?

  • Ich sag nur: "Mach et, Otze !!!" - das absichtliche Abholen eines Feldverweises wurde im DFB-Pokal schon erfolglos praktiziert und endete mit einer Sperre fürs Finale :bye:

  • Hallo.


    Solange das Wechselkontingent nicht ausgeschöpft ist und die Aussage "bin verletzt" gegeben sind, kann man eigentlich den Wechsel nicht verbieten. Eine Feststellung, daß wirklich eine Verletzung vorliegt können wir als medizinische Laien nicht treffen und mit dem Verweigern des Wechsels, auch wenn relativ klar ist, daß ein unsportlicher Hintergrund da ist, begeht man einen Regelverstoß, der dann in so einer entscheidenden Situation zu einer Spielwiederholung führen sollte.


    Nur sind solche Gedankenspiele eben genau das - Gedankenspiele. Die Wahrscheinlichkeit eines Elfmeterschießens mit einem Feldverweis des TW ist relativ gering. Die Spieler wissen, um was es geht und werden sich in der Regel am Riemen reißen. Ich selbst habe jetzt in guten zwanzig Jahren aktiver Tätigkeit insgesamt keine drei Elfmeterschießen in regulären Wettbewerben mitgemacht, alle anderen Spiele waren spätestens in der Nachspielzeit entschieden.


    Und wenn der Trainer die Möglichkeit hat, einen fürs Schießen geeigneteren TW einzusetzen, wird er dies rechtzeitig tun. Daher ist aus meiner Sicht ein unsportlicher Versuch der Regelumgehung in dem Bereich eher unwahrscheinlich.


    Daß sich ein TW eher durch einen Feldverweis als durch eine Verletzung aus dem Spiel befördern lässt ist aus meiner Sicht auch eher fraglich, eine Verletzung kann immer passieren, speziell, wenn der Torwart springen muß, was er bei einer Parade im Elfmeterschießen eher muß wie im laufenden Spiel. Also doch erhöhte Verletzungsgefahr im Verhältnis.


    Daneben - wer entscheidet über die Qualität eines Spielers? Der SR? Das ist anmaßend, wenn ich sage "Spieler X darf nicht teilnehmen, dafür aber Y, weil er der schlechtere Schütze ist". Eine Verweigerung der Teilnahme ist nur unter genau definierten Umständen möglich, jeder darüber hinausgehende Eingriff stellt einen Regelverstoß dar mit den entsprechenden Folgen. Wir hatten in unserem Bereich vor zwei, drei Jahren ein Pokalspiel, das genau wegen einer solchen Verweigerung wiederholt werden musste (verletzter TW, Spieler geht ins Tor und sollte durch den noch einsetzbaren Ersatzhüter ausgetaucht werden). Solange die Regel ist, wie sie ist, müssen wir uns in diesem Rahmen bewegen und können bei Ungereimtheiten nur eines tun - die Meldung schreiben.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • @ Jambala: Das mit der Qualität war aus Mannschaftssicht gedacht. Ich als SR scher mich doch gar nicht drum was der Schütze drauf hat. Sowieso halb OT, daher bitte nicht drauf weiter eingehen.


    Und so wie du es beschrieben hast war das Verweigern genau richtig gehandelt, sie hätten den verletzten Torwart gegen den Ersatzkeeper tauschen dürfen, nicht aber den Feldspieler der dann in den Kasten ging. Wenn DER sich verletzt darf erst wieder getauscht werden. Wenn sie den Keeper nicht gegen den Ersatztorwart getauscht haben wars auch das, er wird gemäß Fußballregeln zu einem Feldspieler und ein Feldspieler darf eben NICHT ausgetauscht werden.


    Also: Endweder Keeper raus, Ersatzkeeper rein oder Keeper und Feldspieler tauschen. Das Beste aus beiden Welten, z.b. um den nur an der Hand verletzten sicher elfmeterschießenden Torwart drinnezulassen, geht nicht!

  • Zitat von mfs67227;177138

    ... "Mach et, Otze !!!" - das absichtliche Abholen eines Feldverweises wurde im DFB-Pokal schon erfolglos praktiziert und endete mit einer Sperre fürs Finale ..


    Das flog damals nur auf, weil Rutemöller so ehrlich war, das völlig legitime Vorgehen seines Spielers Ordenewitz öffentlich zu erläutern. Für mich damals wie heute ein Skandal. An Regeln muss man sich halten. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass ich Regeln zu meinem Vorteil verwenden darf.
    Da bin ich wieder bei meinem Lieblingsthema der Woche: Wer bescheißt und die Fresse hält, der kommt damit durch. Analog: Wer bei einem Kontakt im Strafraum sofort fällt, bekommt meist seinen Strafstoß. Wer es auf die ehrliche Tour versucht, geht leer aus. Genauso hier bei den Bestimmungen zum Entscheidungsschießen. Dann ist der Spieler eben verletzt und fertig.
    Was ich als Trainer meinen Spielern raten würde, brauche ich hier nicht weiter zu erläutern (wie gesagt- Fresse halten).

  • Ne, das hat die Spruchkammer des seinerzeit SFV richtig begründet und das Handeln des damals agierenden SR als falsch gewürdigt:


    Ein interner Positionswechsel ist nach Anmeldung möglich, egal zu welchem Zeitpunkt des Spiels. Und in der Regel ist nur vom TW die Rede, nicht vom TW, der das Schießen begonnen hat. Wenn also ein am Schießen berechtigter Feldspieler den Platz mit dem Torwart erkennbar durch Anmeldung tauscht und dann sich verletzt meldet, kann der Wechsel bei noch möglichem Kontingent nicht verweigert werden. Auch wenn klar ist, daß getrickst werden soll. Die Meldung im Anschluß bleibt davon natürlich unberührt.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Okay. So wie du es beschrieben hast war nichts von einem verletzten Feldspieler gesagt, bei der Version geb ich dir Recht.


    Wie weit würdet ihr euch das gefallen lassen?


    Theorethisch ist es doch möglich: TW tauscht, Feldspieler tauscht gegen Ersatztorwart, der nicht der Kamerad mit der Nummer 12 im anderen Trikot ist sondern ein Feldspieler mit Nummer 10 und Trainingsjacke und dann wird wieder zurückgetauscht.


    Also ich würde den "Ersatztorwart" einen Strafstoß halten lassen, ständig Torwartwechsel alle 30 Sekunden ist jetzt ja auch nicht drin. Danach ist es deren gutes Recht zu tauschen.


    @ BestRefInTown: Endlich mal einer der Klartext spricht. Sehe ich genauso, wenn Regellücken da sind ist es für mich nicht unsportlich sie zu nutzen. Jeder Spieler versucht im Rahmen des Regelwerkes seiner Mannschaft bestmöglich zu helfen und wenn das Regelwerk eine persönliche Strafe belohnt dann ist die Konsequenz logisch. Ebenso wenn ein Verhalten mit persönlicher Strafe belegt ist, man aber den Effekt der persönlichen Strafe für weniger schädlich als die Konsequenzen des fair bleibens sieht. (gezieltes Taktisches Foul oder Notbremse)
    Aufgabe des Regelwerkes ist es eben diese Lücken zu schließen.

  • Wenn auch eine Grundsatzdiskussion über Fair Play zu weit vom Thema wegführt, möchte ich doch kurz anmerken, daß Fair Play eben mehr bedeutet als die reine Beachtung des Regeltextes. Nicht umsonst gibt es Aktionen wie "Fair ist mehr" oder die Fair-Play-Meldung im Spielbericht. Gerade wir als SR sollten doch soviel Idealismus besitzen, uns für wirkliches Fair Play zu engagieren anstatt nach Regellücken und deren bestmöglicher Ausnutzung zu suchen.

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Hallo.


    Wobei zur Durchsetzung des Fair Play aber auch gehört, daß man als SR Regellücken kennt, diese erkennen kann in einer entsprechenden Situation - und dann mit dem richtigen Vorgehen seines dazu beiträgt, daß das fehlbare Verhalten bekannt gemacht wird und von der Sportgerichtsbarkeit geahndet werden kann. Das ist für mich auch im Passus der Regel 5 inhaltlich vorgegeben: Den Fußballregeln Geltung zu verschaffen.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Sowas ähnliches wollte ich auch gerade sagen!
    Ich finde als als SR wichtig alle (oder zumindest viele) Regellücken zu kennen. Nur so kann ich darauf reagieren, wenn es passieren sollte. Wenn mir das am Platz passiert, wo ich vllt noch aufgeregt bin, dann muss ich erstmal nachdenken und das wirkt nicht gut.
    Wenn wir eine mögliche Situation aber hier schonmal durchgekaut haben, dann könnten wir dem Spieler ins Gesicht lächeln und nach weniger als einer Sekunde sein Vogehen entweder erlauben oder untersagen UND dazu noch sofort eine Begründung nennen. Die Akzeptanz dieser Entscheidung wird um ein vielfaches höher sein, als wenn wir am Platz zuvor noch 2 Minuten darüber nachgedacht hätten.