Passives Abseits

  • Hallo,
    gestern hatte ich nach dem Spiel mit einem Spieler eine sehr interessante Diskussion. Es geht um die wait-and-see bei der Abseitsbeurteilung, wenn 2 Spieler zum Ball rennen und man abwarten soll, wer den Ball denn annimmt. Der der im Abseits stand, oder der, der eben nicht im Abseits stand. Die Situation gestern war im Strafraum, Pass kommt nach vorne, ich stand zufällig auf der sog. Abseitslinie. Ein Spieler war Abseits, ein anderer kurz hinter ihm nicht. Beide rennen zum Ball, der nicht im Anseits gestanden habende spielt den Ball. Natürlich war das geschrei groß, von wegen ich hätte Abseits pfeifen müssen. Musste ich aber nicht. Inhalt der Diskussion nach dem Spiel: aber der andere hat aus seiner Situation doch auch ins Spiel eingegriffen, indem der Abwehrspieler nicht wusste, auf wen er sich konzentrieren sollte. Ich finde diese Aussage schlüssig und den Gedankengang nachvollziehbar und kann durchaus einen Widerspruch zum Sinn der wai-and-see-Regel erkennen. Wie seht Ihr so eine Situation?


    Man kann den Gedanken auch weiter spinnen: Wie kann ein Spieler, der 30 Meter vom Angreifer entfern kurz vor der Seitenauslinie steht, ein Abseits aufheben, wenn der doch nie und nimmer in die Situation eingreifen kann?


    Auf Eure Anmerkungen bin ich echt gespannt.

  • Das Problem ist immanent. Die Verfasser der Regel haben aber offensichtlich gerade gewollt, dass der hier passiv im Abseits stehende Spieler weiter mitspielen darf, sonst würde die ganze Regelung keinen Sinn ergeben.


    Allerdings ist es sicher eine Auslegungssache, wie der Umstand des "Vorteil aus der Stellung ziehens" zu interpretieren ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Abseitsstellung ja regelmäßig zunächst so beschaffen ist, dass der angreifende Spieler nicht zu dem vorher im passiven Abseits stehenden Spieler abspielen kann, da dieser dann ja wieder im Abseits stehen würde. Hatten in der Zwischenzeit andere Verteidiger die Möglichkeit soweit zurück zu kommen, dass dies nicht mehr der Fall ist, so ist m.E. die Möglichkeit des Vorteil ziehens nicht mehr gegeben. Die Sache mit dem Vorteil ziehen kommt eigentlich meist nur dann in Betracht, wenn der Angreifer sehr regelkundig ist (oder einen Zufallstreffer landet) und den Ball zum vorher passiv stehenden Spieler zurück spielt (eigentlich keine Abseitsstellung).


    Der verteidigende Spieler hat nur seine Regelunkenntnis offenbart, denn es wäre vollkommen ausreichend gewesen, den nun ballführenden Spieler anzugreifen, da der andere Spieler sonst aktiv oder im dann strafbar passiven Abseits gestanden hätte - es sei denn, seine eigene Mannschaft hätte in der Zwischenzeit nachrücken können, dann wäre es für ihn aber auch egal gewesen.


    Nach derselben Logik müsste ich sonst auch in Frage stellen, warum ein verletzt am Boden liegender Verteidiger zugunsten des Angreifers bei der Abseitsbeurteilung zählt, obwohl er definitiv nicht in das Spiel eingreifen wird.

  • Das mit dem Irritieren, das gilt doch nur bei dem Torwart, oder täusche ich mich?

  • Aber das oben beschriebene ist doch keine Täuschung. Anders sieht es aus, wenn einer kurz vor dem TW steht.

  • Hallo.
    Das "Vorteil aus der Abseitsstellung ziehen" ist eigentlich klar geregelt. Er tut dies, wenn er


    a) als einziger Spieler die Möglichkeit haben wird, den Ball als nächster zu spielen (zumindest im DFB);
    b) einen Gegenspieler durch Geste oder Zuruf irritiert oder körperlich behindert;
    c) den Ball mit dem Fuß spielt.


    Damit man diese Vorteilnahme zeitlich festlegen kann wurde der Moment der Ballabgabe gewählt. Wenn ein Verteidiger 30 Meter entfernt steht, der angreifende Spieler aber auf gleicher Höhe - Kismet. Hier noch eine Einschränkung einzubauen bringt nur noch mehr Verwirrung um eine schon so immer für Diskussionsstoff sorgende Regel.


    Laufen ein Verteidiger und der Stürmer auf den Ball oder gehen wie hier im Beispiel ein passiv Abseits stehender und ein nicht Abseits stehender Spieler zeitgleich auf den Ball, muß man nun einmal warten, wer den Ball spielt. Der passiv Abseits stehende Spieler kann ja ein Paar Meter vor dem Ball plötzlich die Richtung ändern oder abstoppen - er irritiert damit vielleicht auf den ersten Blick den oder die Verteidiger, da er aber nicht regelkonform eingreifen kann baut er auf die Dummheit der Verteidiger, daß sich diese dann auf ihn und nicht auf den hineinlaufenden Stürmer konzentrieren - was ja grade in den unteren Klasse meist hinhaut. Ich sage nur "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht".


    Ich sehe es ähnlich wie Manfred. Der Hintergedanke der Regel ist aus meiner Sicht, daß man dem passiv Abseits stehenden Spieler die Möglichkeit durch Mitlaufen gibt, sich wieder in eine Position zu bringen, aus der er den Ball spielen darf, dies beschleunigt das Spiel und führt zu mehr Toren - und somit zu mehr Attraktivität im Sport.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Zitat von Udo;12903

    Das mit dem Irritieren, das gilt doch nur bei dem Torwart, oder täusche ich mich?


    Nein! Also Ja, du täuschst Dich! :)
    Regel 11:
    "Ein Spieler wird nur dann für seine Abseitsstellung bestraft, wenn ... er
    einen Gegner beeinflusst ..."

  • Aber wenn es so ist, wie in dem Beispiel ist der Verteidiger einfach zu blöd. Wenn da 2 Mann stehen, und er macht nix, selber schuld.

  • Kann ein gutes Beispiel nennen:


    Zwei Spieler laufen Richtung Tor, der eine Spiele im Abseits, der andere (natürlich) nicht. Der Spieler schießt den Ball nach vorne und der abseits stehende Spieler wollte zuerst zum Ball, bremste dann aber ab und der Spieler, der den Ball schoß nahm den Ball an und traf das Tor. Hatte zwar die Fahne oben, allerdings sagte der SR "Weiterspielen". Hatten beide recht.

  • Wenn beide Spieler klar ersichtlich zum Ball rennen, gebe ich immer Abseits. Eine Abseitsanzeige kommt zwar nie zu spät, aber im Interesse der eindeutigen Vermittelbarkeit der Entscheidung, ziehe ich das Fahnenzeichen vor. Und durch die aktive Bewegung beider Spieler zum Ball ist für mich das passive Abseits nicht mehr gegeben.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • @ Hallenser: Wobei Du damit den nicht Abseits stehenden Spieler bestrafst und ihm den regelkonformen Vorteil nimmst.
    Natürlich ist es für die Zuschauer nicht immer ersichtlich, weshalb man gegen einen Spieler Abseits pfeift oder nicht, aber nur die Tatsache, daß ein Abseits stehender Spieler auf den Ball geht bedingt nicht den Pfiff. Erst das Eingreifen.


    Man hat dann vielleicht weniger Kommentare und für die Zuschauer ist es nachvollziehbar. Richtig ist es deshalb aber nicht.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Das stimmt schon. Werde mal darüber nachdenken.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • Es sollte keine persönliche Kritik sein. Bei sehr knappen Entscheidungen und wenn der Abseits stehende Spieler wesentlich eher die Möglichkeit zum Ballkontakt hat pfeife ich auch Abseits.
    Nur man sollte mit dem generellen Abpfeifen eher vorsichtig sein, da man wie gesagt einen regelkonformen Vorteil nehmen kann.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Wie handhabt ihr es, wenn ein Spieler ca. drei Meter im Abseits steht, ein Abwehrspieler etwa 5 Meter von diesem Spieler entfernt den Ball wegschlägt zum Gegner. Der "Abseits" stehende Spieler greift nicht direkt in das Spiel ein, bleibt einfach stehen, aber der Abwehrspieler schlägt wohl unter dem befürchteten Druck durch den "Abseits" stehenden Spieler den Ball weg, sonst hätte er wohl den Ball in Ruhe angenommen. Wie entscheidet ihr hier?

  • Weiterspielen lassen. Durch das Stehenbleiben signalisiert der Stürmer, daß er nicht ins Spiel eingreifen will.

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Sehe ich genauso.

  • Habe ich auch gemacht weil ich es genauso sehe wie ihr. Selbst wenn er den Ball dann zum Gegner befördert ist das für mich kein (aktives) Abseits, nur leider hatte ich damit mit dem Unverständnis des Trainers zu kämpfen, der jedes Mal lautstark Abseits verlangte.

  • Zitat von djjayb;13600

    der jedes Mal lautstark Abseits verlangte.


    Jaja, die beiden meistgerufenen Worte: "Abseits" und "Hand" :D