Grenze Tatsachenentscheidung - Regelverstoß

  • Folgenden Fall konnte ich am vergangenen Samstag beobachten:


    In der F-Jugend verletzte sich ein Spieler. Zweifelsfrei keine ernsthafte Verletzung, so dass nach dem Regelwerk eine Unterbrechung zwingend gewesen wäre, allerdings ist eine solche in dieser Altersklasse üblich. Der Schiedsrichter wies daraufhin die ballführende gegnerische Mannschaft an, denn Ball ins Seitenaus zu spielen, um die Behandlung zu ermöglichen. Bei der Fortsetzung des Spieles sprach der SR aber genau dieser Mannschaft den Ball zu, was zwar sportlich korrekt, aber formal eine ganz offenkundige Fehlentscheidung war.


    Mich stellte diese Entscheidung vor die Frage, ob es sich hier noch um eine Tatsachenentscheidung handelte oder ob - wegen der Klarheit des Falles und der Offensichtlichkeit des Vorsatzes - schon ein Regelverstoß vorliegt?


    P.S.
    Es handelt sich um reine Neugier, ein Einspruch o.ä. wird definitiv nicht erfolgen.

  • Eine falsche Spielfortsetzung, wie in diesem Fall, die eindeutig und unauslegbar festgeschrieben ist, stellt m. E. einen Regelverstoß dar.
    Eine Tatsachenentscheidung hingegen liegt meiner Meinung nach vor, wenn dem SR bei seiner Entscheidung ein Spielraum zu zubilligen ist, wie z. B. bei Foulspielen oder anderen auslegungsfähigen Spielsituationen.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • Na ja ... Die Spielfortsetzung war ja nicht falsch, sondern korrekt, nämlich Einwurf.


    Ein Regelverstoß wäre sicherlich, wenn der Ball ins Seitenaus gespielt würde und der SR dann mit SR-Ball weiterspielen liesse.

  • Zitat von kuhartm;12824

    Na ja ... Die Spielfortsetzung war ja nicht falsch, sondern korrekt, nämlich Einwurf.


    Vollkommen richtig!


    Aber mal ganz ehrlich... G-Jugend, F-Jugend, E-Jugend... wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Bei diesen Jugendspielen pfeifen doch eh keine SR, sondern Eltern, Trainer, Betreuer, Großeltern...


    Wen juckt es dort, wenn ein EInwurf der falschen Mannschaft zugesprochen wird oder gar eine falsche Spielfortsetzung gewählt wurde?


    So, nun dürft ihr alle auf mich einprügeln von wegen "im Regelheft steht aber... Regeln gelten für alle Mannschaften... man darf keine Ausnahme machen..." :D


    Aber um Manfreds Frage zu beantworten: es handelt sich um eine Tatsachenentscheidung und keinen Regelverstoß.

  • Zitat von Christoph;12850

    Aber mal ganz ehrlich... G-Jugend, F-Jugend, E-Jugend... wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Bei diesen Jugendspielen pfeifen doch eh keine SR, sondern Eltern, Trainer, Betreuer, Großeltern...


    Stimmt grundsätzlich. Aber die "besseren" Vereine lassen da auch gerne mal ihre Jung-SR üben. Den schönsten Fall habe ich da mal erlebt, als sich jemand noch seine SRA mitgebracht hatte - zu einem E-Jugend-Spiel; und er hat seine Sache richtig gut gemacht.


    Zitat von Christoph;12850

    Wen juckt es dort, wenn ein EInwurf der falschen Mannschaft zugesprochen wird oder gar eine falsche Spielfortsetzung gewählt wurde?


    Die Kinder! Die interessieren sich zwar nicht dafür, was ein Regelverstoß ist, wissen aber sehr wohl, wer den Ball (hier so offenkundig) ins Aus befördert hat.


    Zitat von Christoph;12850

    So, nun dürft ihr alle auf mich einprügeln von wegen "im Regelheft steht aber... Regeln gelten für alle Mannschaften... man darf keine Ausnahme machen..." :D


    Wärme schon mal die Keule vor!:D Allerdings bin ich erst am 8.7. wieder in Hamburg (und dann nur für eine knappe Stunde, Du müsstest die vorgewärmte Keule also zwecks Abholung der Prügel mitbringen!). :p ;) :D


    Zitat von Christoph;12850

    Aber um Manfreds Frage zu beantworten: es handelt sich um eine Tatsachenentscheidung und keinen Regelverstoß.


    Danke, dass ist eine konkrete Stellungnahme. Weitere Meinungen?



  • ey, ey, ey auch bei den kleinen wird ordentlich gepfiffen!


    Gruß
    Max

  • Zitat von Christoph;12850

    Vollkommen richtig!


    Aber mal ganz ehrlich... G-Jugend, F-Jugend, E-Jugend... wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Bei diesen Jugendspielen pfeifen doch eh keine SR, sondern Eltern, Trainer, Betreuer, Großeltern...


    Du bezeichnest Matthias und mich also als keine SR?


    Wir haben beide Ansetzungen für E-Junioren bekommen :flop:

  • Ist bei uns in Schleswig-Holstein aber leider anders, Kevin. Wir sind froh, wenn wir die C-Jugend durchgängig besetzen können.


    Christoph hat das Maß aus der Region genommen. Es wollte euch keinesfalls abwerten.

  • Geschickter wäre gewesen, abzupfeifen und dann das Spiel mit SR-Ball wieder aufzunehmen. Dann kann man den Jungens auch gleich Fair-Play beibrigen, indem die "richtige" Mannschaft den Ball weiterspielen darf.

  • Zitat von Ingo;12900

    Ist bei uns in Schleswig-Holstein aber leider anders, Kevin. Wir sind froh, wenn wir die C-Jugend durchgängig besetzen können.


    Christoph hat das Maß aus der Region genommen. Es wollte euch keinesfalls abwerten.


    Bei uns doch nicht anders!


    Soooo viele Spiele sind unbesetzt...und unser Ansetzer setzt uns für Spiele Ohne wertung oder E-Junioren an, das ist doch der Punkt, der uns missfällt!

  • Zitat von Udo;12912

    Geschickter wäre gewesen, abzupfeifen und dann das Spiel mit SR-Ball wieder aufzunehmen. Dann kann man den Jungens auch gleich Fair-Play beibrigen, indem die "richtige" Mannschaft den Ball weiterspielen darf.


    Das stimmt zwar, Udo.


    Aber darum geht es hier jetzt nicht. Manfred möchte einfach nur wissen, ob in dem Falle, dass der SR bewusst die falsche Mannschaft einwerfen lässt, einen Regelverstoß begeht oder nicht.

  • Das habe sogar ich verstanden. :D Aber Christoph hatte das ja richtig beantwortet. Darum habe ich dazu nix mehr gesagt.

  • So, ich muss dieses Thema doch noch einmal aufwärmen.


    Bekanntlich hatten wir seit dem Ursprungspost mehrere heiße Diskussionen über sportgerichtliche Entscheidungen, bei denen es eben auch wieder um den Punkt ging, wann etwas Tatsachenentscheidung (und damit nicht revidierbar) ist und wann eben nicht.


    Bei nüchterner Betrachtung wären unter Beachtung der in dieser Diskussion genannten Grundsätze fast alle Dinge Tatsachenentscheidungen und Regelverstöße kaum möglich. Diese würden sich auf die Unterlassung eindeutiger Pflichtverwarnungen bzw. -feldverweise sowie auf ganz grobe Schnitzer wie Anstoß in beiden Hälften durch dieselbe Mannschaft beschränken. Dies würde aber der Manipulation Tür und Tor öffnen und wird offensichtlich - siehe Hoyzer-Folgen - auch durch den DFB so gesehen.


    Wenn ein Schiedsrichter offensichtlich und vorsätzlich eine falsche Entscheidung trifft (Spieler der Mannschaft A spielt klar und eindeutig den Ball ins Aus und trotzdem erhält Mannschaft A Einwurf/Abstoß und der Schiedsrichter hat dies auch gesehen), so kann es doch nicht richtig sein, dass der SR sich hier hinter der Tatsachenentscheidung verstecken kann.


    Wo also liegt die Grenze zwischen Tatsachenentscheidung und Regelverstoß?

  • Das ist sicher eine schwierige Entscheidung. Ich für mich würde es so beantworten:
    Tatsachenentscheidungen des SR liegen vor, wenn dem SR ein Ermessensspielraum in seinen Entscheidungen vorgegeben ist, den er auf Grund seiner subjektiven Wahrnehmung nach der einen oder anderen Seite hin ausschöpft. Diese können dann im Nachhinein nicht angefochten werden, weil eben jeder Mensch Situationen anders antizipiert und danach entscheidet.
    Regelverstöße erfolgen demzufolge bei Entscheidungen, die für bestimmte Vergehen zwingend, ohne die Möglichkeit der persönlichen Auslegung, vorgeschrieben sind. Das werden in der Regel die Spielfortsetzungen sein (z. B. Ball im Aus-Einwurf).
    Aber garantiert gibt es auch immer wieder Grenzfälle, wie im richtigen Leben, bei denen dann eben die Sportgerichte ein Urteil fällen müssen und es zwangsläufig Gewinner und Verlierer gibt.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • Das Wissen um den Stellenwert der Tatsachenentscheidung darf nicht dazu führen, Regelverstöße zu legitimieren oder die fehlende Nachweisbarkeit und die damit verbundene Straffreiheit als Begründung heranzuziehen. In diesem Punkt müssen wir höllisch aufpassen.


    Letztenendes ist die Unterscheidung, ob ein Regelverstoß oder eine falsche Wahrnehmung vorliegt nur bei Streitfällen gefordert. Abgesehen von den "eindeutigen Regelverstößen" ist die Urteilende Instanz hier bei Entscheidungen auf die moralische und charakterliche Festigkeit des SR angewiesen. Diese ist - wie bei der Gesellschaft ganz allgemein - nicht bei allen gleich stark ausgeprägt. Im Grunde muss also in den allermeisten Fällen der SR bereits selbst Entscheiden, ob er einen Regelverstoß begangen hat, und ob er diesen auch zugibt. Sind Regelverstöße vorsätzlich begangen worden, gehe ich davon aus, dass die Lüge keine moralische Hürde darstellt.


    Da ich der festen Überzeugung bin, dass die meisten SR nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden halte ich das Festhalten an der Unantastbarkeit der Tatsachenentscheidung auch für richtig. Die Tatsache, dass es Ausnahmen gibt ist bekannt, wird jedoch -richtigerweise- billigend in Kauf genommen.