Das Vertrauen wird ausgenutzt

  • Ich hatte heute mein 4. Herrenspiel in der Kreisliga B. Ich hatte mir gestern große Gedanken gemacht und wollte das Spiel schon zurückgeben. Grund: Irgendein Vollpfosten fährt Nachts durch eine 30-er Zone und erwischt meine über alles geliebte Katze tödlich. Was macht er?? Schmeißt sie achtlos ins Gebüsch und fährt weiter. Meine Wut und Trauer gestern waren kaum zu stillen, ich bin hyperventilier und meine Eltern mussten mich ins Haus tragen, weil ich nicht mehr auf meinen eigenen Füßen stehen konnte.
    Ich habe mich dennoch entschieden, dieses Spiel zu leiten, um mich abzulenken, um rauszukommen aus der Gegend wo alles geschah. Ich klinge jetzt vielleicht wie ein kleines Kind, aber meine Katze war mein Bezugspunkt für alles. Mein Wecker, mein Zuhörer, mein Partner zum trösten und lachen. Sie hat bald jede Nacht an meiner Seite im Bett verbracht und sie war für mich nie wegzudenken. Sie war einfach mein ein und alles.


    Um den Bogen zu dem Spiel zu bekommen: Ich teilte den Trainern beider Mannschaften das so mit, mit der Bitte auf Rücksichtnahme, was beide auch verstanden. Der Trainer von Heim gab dies an seine Spieler weiter, soweit alles ok.


    Das Spiel an sich verlief ganz gut. Heim war auf Platz 3 und brauchte einen Sieg, um bei gleichzeitiger Niederlage des 2. auf den Relegationsplatz zu rutschen. Gast plätschert irgendwo im Mittelfeld rum ohne Chancen nach oben oder nach unten. Das Spiel sollte also recht einseitig werden. Denkste. Gast spielte munter auf und ging nach 12 Minuten durch einen Sonntagsschuss in die Torwartecke in Führung. Heim wirkte wie paralisiert, ließ Gast spielen und machte keine Anstalten dazwischen zu gehen.
    So kam es wie es kommen musste. In der 14. Spielminute rennt ein Stürmer von Gast aufs Tor zu, durch 3-4 Mann ist er schon durch, der Torwart kommt schon aus seinem Tor gestürzt. Der Stürmer legt sich den Ball vor um auch den letzten Verteidiger zu passieren, der trifft ihn klar am Fuß, im nächsten Moment hat der Torwart auch schon den Ball, weshalb ich nicht auf eine Notbremse entschied, sondern den Spieler von Heim lediglich mit :gelbe_karte: belangte. Zwar hatte ich dann einige Diskussionen am Hals, doch die wurden schnell ruhiger als der Stürmer immernoch am Boden lag und keine Luft bekam, sodass ich den Sanitätsdienst ( es war das Rote Kreuz vor Ort) reinrufte und sich alle um den Spieler kümmerten und keiner mehr was von mir wollte.
    Kurz darauf fällt auch das 2:0 für Gast, schön rausgespielt auch wenn Heim nur als Schaufensterpuppen mitspielte. Und auch 8 Minuten später war noch kaum Gegenwehr vorhanden, sodass Gast auf 3:0 erhöhen konnte.


    Nur wachte Heim auf. Sie wechselten aus, ein neuer Verteidiger kam rein und spielten auf einmal munter auf. Durch 2 wunderbare Tore kamen sie bis zur 34. Minuten auf 3:2 ran. Gast erzielte als Antwort jedoch direkt das 4:2, mit dem wir auch in die Halbzeit gingen.
    Gast, von der Tabellensituation absolut unterlegen, war also gekommen um Heim den vermeintlichen Aufstieg kaputt zu machen und das machten sie wirklich gut.


    In der 2. Halbzeit fehlte bei den Gästen dann die Kraft. Mit nur 11 Mann angereist, konnten sie nicht wechseln, der Stürmer rief schon in der 50. Minute raus zu seinem Trainer, dass er nicht mehr kann. Und trotzdem hielt die Verteidigung lange halt. Heim wurde unruhig, da Gast immer wieder mit Kontern Stiche in ihre Abwehr setzten. So auch in der 61. Spielminute. Der Ball kommt von ganz weit hinten vorgeschlagen, Verteidiger und Stürmer gehen zum Kopfball hoch, der Ball kann geklärt werden aber der Verteidiger von Heim fällt ganz blöd. Er kugelt sich die Schulter aus, der Rettungsdienst kann ihn lediglich raustragen und einen Notarzt anfordern. Ganz Bitter für Heim in dieser Phase. Sie verlieren ihren Innenverteidiger und Spielführer. Aber scheinbar wirkte das wie ein Wachruf. Sie spielten mit noch mehr Tempo, noch mehr Einsatz. Das Spiel wurde immer schneller und intensiver, sodass ich auch meine Linie ein wenig anzog um die Nicklichkeiten im Griff zu behalten, was auch gut klappte. Nur einmal gerieten 2 Spieler aneinander, der Gästeverteidiger hätte im Fallen den Stürmer von Heim geschlagen, was ich nicht wahrnahm. Der Stürmer sah dafür aber auch :gelbe_karte:, da ich ihn zuvor schon wiederholt ermahnt hatte. Der Torwart, mit dem er sich angelegt hatte, wurde ermahnt, da er den Stürmer eigentlich nur von seinem Verteidiger weggeschoben hat und evtl sogar schlimmeres verhinderte.
    Aber Heim wurde für diese Arbeit belohnt. Innerhalb von 10 Minuten erzielten sie 3 Tore und auf einmal stands 4 Minuten vor Schluss 5:4 für Heim. Nun wollte natürlich jeder den Abpfiff. Aber da wir nicht nur eine Verletzungspause hatten, ließ ich noch 3 Minuten nachspielen. Im Endeffekt ist nichts mehr passiert, aber die Nachspielzeit musste trotzdem sein.



    Und jetzt komm ich zu dem, was mich zu dem Titel dieses Themas bewegt hat. Ich kam vom Platz und wurde von meiner heulenden Schwester empfangen. Neben ihr mein Vater, der sie behutsam im Arm hielt. Ich fragte, was denn los sei und dann kam der Hammer:


    Ein Spieler von Heim hatte sich während des Spiels über meine verstorbene Katze sowie meine Trauer um sie auf das übelste lustig gemacht. Meine Schwester hatte dabei direkt daneben gestanden, war in Tränen ausgebrochen und weggegangen. Die Rückennummer konnte mein Vater mir auch sagen. Ich ging deshalb auch zu dem feiernden Trainer von Heim, der sich zigfach entschuldigte und immer wieder betonte, dass er das im nächsten Training ansprechen wird und dass er das auch nicht gut findet und so weiter. Dazu habe ich a) eine Frage und b) einen Rat für alle:


    a) Kann ich das im Spielbericht vermerken, auch wenn ich das nicht wahrgenommen habe? Über den Wahrheitsgehalt der Aussagen meiner Familie hoffe ich doch wohl nicht streiten zu müssen.


    b) Lasst die persönliche Schiene immer raus. Es hat mir nur einen Nachteil gebracht, meine Schwester verletzt und mich auch. Das in die Spieler gesetzte Vertrauen wurde kein bisschen erwiedert. :(:flop: Ich werde solche Ansprachen in Zukunft, ich hoffe ich bräuchte sie nicht mehr, unterlassen.

  • Zu a: Lass es. Nicht nur, dass Du es selber nicht wahrgenommen hast, es kommt auch - außer weiterem Ärger - nur wenig dabei heraus, wenn es für den Spieler überhaupt zu einer Strafe kommt. Der Wirbel, der entstehen wird, kann Dir aber mehr schaden als dem Spieler.


    Zu b: Persönliche Dinge des Schiedsrichters gehören nicht auf den Platz - Punkt, aus, Ende. Wenn Du Dich nicht in der Lage siehst, das Spiel zu leiten, dann gib es zurück.

  • Ich war in der Lage da Spiel zu leiten,was mir auch beide Trainer bestätigten. Der Gästetrainer meinte zu mir, dass es nicht an mir gelegen hätte, dass sie verloren haben. Ich war einfach nur frustriert, dass sowas einfach in die Welt posaunt wird ohne Rücksicht auf Gefühle von anderen Menschen. Ich wollte mich durch das pfeifen ablenken, was bis zu dem Zeitpunkt als ich vom Feld kam auch geklappt hat.

  • Zunächst mal: Das mit Deiner Katze tut mir wirklich Leid und ich kann mir vorstellen, wie Du Dich dabei fühlst. Nachts streuende Katzen sind immer einer Gefahr ausgesetzt und das ist auch jedem Katzenhalter bekannt, doch wenn es die eigene Katze erwischt, ist das sicherlich ein sehr harter Schlag, an dem man durchaus zu knabbern hat. Also: Mein Beileid, auch wenn es "nur" ein Haustier ist.


    Aber: Du hättest vor dem Spiel eine klare Entscheidung treffen müssen. Entweder fühlst Du Dich mental so fit, dass Du das Spiel mit aller Persönlichkeit leiten kannst, oder eben nicht. Im ersteren Fall hättest Du dann auf die Ansprache verzichten, im zweiten Fall entsprechend das Spiel zurückgeben müssen.


    Wenn Du aber vor dem Spiel um Nachsicht bittest, weil Dein Haustier gestorben ist, begibst Du Dich automatisch in eine schlechte Position, weil Du Dich angreifbar zeigst. Auch wenn die Trainer Dein Anliegen ernstnehmen - und allein das ist alles andere als selbstverständlich - und es entsprechend an die Spieler weitergeben, so ist spätestens hier doch der Knackpunkt: Meinst Du, die Spieler agieren weniger hitzig, weil sie in einer emotionalen Situation im Spiel denken: "Oh je, seine Katze, belassen wir es dabei..."?!


    Die Ansprache vor dem Spiel war daher bei aller persönlicher Betroffenheit nichts anderes als ein Fehler. Dies wird aber in sämtlichen Psychologie-Lehrgängen für Nachwuchs-SRs und Perspektiv-Teams so gelehrt.


    Ich finde, dass Du noch recht gut aus dieser Situation herausgekommen bist. Ein einzelner Spieler, der sich lustig macht, ist ohne Frage unschön - aber es hätte nach Ansprache durch die Trainer an die Mannschaft auch ein Spiel voll des Hohns werden können, das Du dann unter Umständen wirklich nicht hättest weiterleiten können.

  • Mit jedem persönlichen Detail was man von sich preisgibt macht, man sich angreifbar.


    Wenn Timey sagt, dass er das Spiel trotz seines persönlichen Problems leiten konnte, dann glaube ich ihm das. Er hat nämlich etwas, was vielen hier im Forum absolut fehlt: Timey kann sich selbst kritisch hinterfragen.


    Daher ist es schon in Ordnung das er das Spiel geleitet hat, allerdings sollte man solche persönlichen Schicksalsschläge niemanden am Sportplatz mitteilen.


    Je weniger die Spieler über einen SR als Privatperson wissen, desto weniger Angriffsfläche bietet man.

    :hsv1: IN DUBIO PRO RAUTE! :hsv1:


    25.05.1983 - Die Helden von Athen:


    Uli Stein - Bernd Wehmeyer, Holger Hieronymus, Dietmar Jakobs, Manfred Kaltz - Wolfgang Rolff, Jürgen Groh, Felix Magath, Jürgen Milewski - Horst Hrubesch, Lars Bastrup (ab 61. Min. Thomas von Heesen)


    Trainer: Ernst Happel



    Nicht selten sind wir nach dem Spiel so richtig deprimiert,
    wir freuen uns schon wenn unser Team zumindest nicht verliert.
    Es ist schwer - wir sind Fans vom HSV!

  • Solch persönliche Dinge würd ich ebenfalls generell nicht mit ins Spiel nehmen und ebenfalls nicht ansprechen.


    Solche Dinge gehen niemanden etwas an und würden schnell durch den Kakao gezogen, ohne Dir damit zu nahe treten zu wollen wirkt dass für einige eher belustigend wenn jemand um sein ´Heimtier trauert und dafür um Rücksicht bittet.


    Entweder Du fühlst Dich 100%ig in der lage daas Spiel zu leiten oder eben nicht.


    Von Meldungen o.ä. würde ich generell absehen, was wolltest Du dem Spieler den anreiden? dass er sich deiner Trauer nicht anschliesst? also lass es gut sein.



    Gruß Marco

  • Zettelbox hat es auf den Punkt gebracht.
    Es interessiert die Mannschaft und Zuschauer absolut nicht die Bohne,
    was dir in deinem privaten Umfeld passiert ist.
    Wenn du auf den Sportplatz kommst, gehen alle davon aus, dass du das Spiel leiten kannst, ansonsten hättest du es zurück geben können.


    Lasse künftig die privaten Dinge aus der Schiedsrichterei, auch wenn die Trauer
    groß ist. Ein Ansetzer hat für solche Dinge Verständnis, die Spieler und Zuschauer leider nicht.

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • Herzlich Beileid, Tim!
    Ich hätte das Spiel zurückgegeben!
    Wenn du trotzdem fähig zu ein Spiel leiten kannst, dann sollst du dich auf Schiedsrichterwesen konzentrieren, nicht der Tod von Katze die Trainier informieren, dafür kam der Respektlosigkeit von der Mannschaft!
    Wenn du nicht zu fähig bist, dann gib das Spiel ab!

    Ich habe keine Ablenkung durch die Geräuschkulisse.
    Ich bin komplett konzentriert auf das, was ich sehe


    Gehörloser Schiedsrichter -
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.

  • Ich denke Tim hat die Botschaft verstanden. Er fühlte sich in der Lage das Spiel zu leiten und hat es auch getan. Das ist doch absolut in Ordnung.
    Der Fehler die Mannschaften über private Dinge zu informieren, wird er sicherlich nicht nochmal machen. Manches passiert einem eben nur einmal.
    Damit sollte es aber jetzt auch gut sein.


    Kopf hoch Tim !

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Das ist echt blöd. Alles Gute Timey.


    Und noch eins: Ich kann da mitfühlen, auch mir sind meine Haustiere sehr wichtig, das Ereignis geht mir sehr nahe. Erst so ein Verlust und dann wird man auch noch einem solchen Spott ausgesetzt.


    Trotzdem sollte das dir und uns allen eine Lehre sein.

  • Ich kann mich allen anderen hier nur anschließen - tut mir sehr Leid für dich, Timey. Man kann es sich, ohne einmal erlebt zu haben, nicht vorstellen, wie es ist, wenn einem sein geliebtes Haustier genommen wird (und dann noch auf so eine Art und Weise, da könnte ich explodieren...). Ich wünsche es niemandem, obwohl es irgendwann immer so weit sein wird.
    Und wozu man dann in der Lage ist und wozu nicht, dass muss man alleine entscheiden.

  • Ich danke allen für das Mitgefühl.


    Ich habe den Spielbericht ohne eine Meldung verschickt. Das war meine einzige Frage eigentlich.


    Dass ich die persönliche Schiene rauslassen muss, hatte ich schon auf dem Heimweg verstanden und hatte ich eher als "Tipp" an alle geschrieben. Manchmal muss man eben schmerzhafte Erfahrungen machen und davor wollte ich jeden schützen.

  • Inhaltlich ist zum Thema wohl alles gesagt.


    Gleichwohl möchte auch ich Dir mein Mitgefühl aussprechen (haben selbst eine alte Katze, die unseren Alltag begleitet und ab und an mitbestimmt :) ) aber auch Respekt vor dem Mut, Dich hier im Forum "zu outen".


    Dass es vor dem Spiel eher ungeeignet ist, haben wir mittlerweile geklärt, hier im Forum sollte es aber so sein können, dass wir auch unsere Schwächen thematisieren dürfen, und nicht nur wieviele Rote Karten wir wieder toll verteilt haben. Insofern danke zu diesem Beitrag!
    (...und ich habe mich auch über die rücksichtsvollen Kommentare der anderen User gefreut...)

  • Soweit ich Deine Wut und die deiner Familie über die Bemerkung verstehen kann, so ist das ganze eher unglücklich gelaufen.
    Der Spieler konnte deine Gefühlslage nicht verstehen und hat eben eine blöde Bemerkung gemacht. Er hat aber anscheinend darauf geachtet, dass Du sie nicht mitbekommst. Das deine Schwester in der Nähe stand, konnte er nicht ahnen.
    Menschen sind Menschen - sie haben leider ein zu großes Gehirn, sonst würden sie instinktiv so etwas nicht machen.