Heute hatte ich ein Kreisliga-Spiel mitten im Ruhrgebiet zu leiten. Beide Mannschaften kamen aus der gleichen Stadt, Heim kommt aus einem Stadtteil, wo eine große Brauerei ansässig ist, Gast aus einem Stadtteil, dessen Name im Namen eines Vereins aus der 2. Bundesliga enthalten ist. Beide Mannschaften sind Tabellennachbarn.
Ich liebe diese Spielstätten im Ruhrgebiet, die 1945 wieder aufgebaut wurden und seitdem höchstens mal einen neuen Anstrich bekommen haben. Da bin ich Nostalgiker.
So pfiff ich also das Spiel im Schatten von Fördertürmen und den Kesseln der Brauerei an. Gespielt wurde auf Asche, das Wetter konnte nicht besser sein. Sonnig und über 20° Celsius.
Ich hatte mit dem Spiel überhaupt keine Probleme, alle Spieler waren typische Ruhrgebietler, die ihr Herz ab und an offen auf der Zunge tragen, aber alle sehr herzlich sind. Das Spiel lief etwas schleppend an, doch nach etwa 20 Minuten waren alle warm und es entwickelte sich ein spannendes Spiel.
In der 1. Halbzeit gab es viele Torchancen, aber kein Tor. Aufregenste Szene in der 1. Halbzeit war, als Gast den Ball so weit über den Zaun schoß, dass der Braumeister der benachbarten Brauerei irgendwo einen Ball finden wird.
Die Halbzeitpause genoß ich an einem Bauwagen, der neben dem Spielfeld steht und dem Catering dient. Ich bekam von den Zuschauern den ein oder anderen Hinweis mit auf den Weg ("Schiri, achte mal auf den 10 von Gast, der lässt sich immer fallen!"). Aber das ist eben die Mentalität hier. Ich nahm das mit Humor und pfiff zur 2. Halbzeit.
In der 48. Spielminute ein herrlicher Konter von Heim, Flanke von außen in den Strafraum, Kopfball, Tor. Klasse. Gast wurde nun etwas hektischer in den Aktionen, so dass ich den ein oder anderen Spieler kurz auf die Tatsache hinwies, dass ich hier die Entscheidungen treffe.
Heim zog sich nun etwas weiter zurück und versuchte, mit Kontern einen Treffer zu erzielen. Gast drehte nun richtig auf.
Da es sehr warm war und das Spiel sehr intensiv verlief, musste ich in der 70. Minute die erste gelbe Karte zeigen. Die Spieler waren mit ihrer Kondition ziemlich durch und die Hitze machte den Rest. Aber trotzdem war alles sehr herzlich und fair, obwohl ich bis zum Spielende dann doch die ein oder andere gelbe Karte zeigen musste. Aber alles nichts wildes.
Und dann war es soweit:
84. Spielminute, Gast drückte wieder ohne Ende. Der Stürmer von Gast lief mit dem Ball am Fuß Richtung Strafraum von Heim, der Verteidiger dachte wohl schon an den Grill nach dem Spiel und stieg dermaßen in den Zweikampf ein, dass dies ein Beispiel für das Lehrbuch "Was ist ein Foul und was nicht?" werden könnte.
Pfiff, Freistoß, Torentfernung etwa 20 Meter, ziemlich zentral vor dem Tor.
- "Schiri, der ist doch indirekt?"
- "Nein, der ist direkt."
- "Geil."
Ein wunderschöner Freistoß senkte sich dann unhaltbar in den Winkel.
1:1
Ich gab noch 2 Minuten Nachspielzeit, dann pfiff ich ab. Ein gerechtes Ergebnis muss ich sagen.
Beide Mannschaften waren zufrieden, auch mit meiner Leistung.
Ich begab mich dann unter die Dusche, die die Engländer im 2. Weltkrieg nicht bombardiert haben, weil die dachten, die Dusche ist eh schon am Ende
Dann fuhr ich nach Hause und freute mich über das gelungene Spiel und über diesen wirklich tollen Nachmittag. Nächste Woche heisst es dann: Neues Spiel, neues Glück.
Aber für solche Spiele wie heute bin ich Schiedsrichter geworden. Das ist mein Ruhrgebiet.