Nachdenkliches über Abseits

  • Jede Woche stellt sich mir die Frage, ob die aktuelle Abseitsregelung wirklich sinnvoll ist. Es gibt doch kaum ein Wochenende, wo es nicht zu einer falschen Entscheidung (meist gegen den Angreifer) gekommen ist. Oft sogar spielentscheidend, (z.B. das nichtgegebene 2:0 von Messi in der CL).


    Die meisten Regelauslegungen liegen im Ermessensspielraum des SR. Beispiele:
    War das Handspiel absichtlich?
    War der Armeinsatz noch „erlaubtes Rempeln“?
    Wurde beim Tackling der Ball gespielt?
    Ging der Beinkontakt vom Abwehrspieler oder vom Stürmer (Einhaken) aus?


    Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Meistens werden die Entscheidungen nach kurzer Diskussion einfach hingenommen. Selbst die Super-3D-Zeitlupe lässt – Gott sei Dank – keine eindeutigen Aufschlüsse zu.


    Leider ist das bei Tor und Abseitsentscheidungen nicht so. Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Beim Tor ist das natürlich klar (Ausnahme Handspiel auf der Linie, wäre jedoch ein anderes Thema), da könnte man den Chip einführen. Wobei falsche Torentscheidungen zum Glück eher selten sind.


    Aber, muss das strafbare Abseits wirklich so exakt definiert sein, sodass es ggf. oft nur ein Computer exakt feststellen kann und eben kaum bzw. niemals der SRA geschweige denn denn SR?


    Ursache für Fehlentscheidungen sind hauptsächlich knappe Situationen, die Abseitsfalle (Stürmer rennen Richtung Tor und Abwehrspieler entgegengesetzt), passive oder aktive Abseitsstellung und Definition „vorletzter Abwehrspieler“.


    Wie könnte man die Abseitsregel optimieren ohne den Sinn der Regelung und des Fußballs wesentlich zu ändern?


    Was wäre, wenn man die Regel 11 minimal abändern bzw. ergänzen würde:


    .....................................
    Ein Spieler befindet sich in Abseitsstellung, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der letzte gegnerische Feldspieler.


    Ein Spieler befindet sich nicht in einer Abseitsstellung..., wenn diese unabsichtlich erfolgte.


    Auslegung: „Der gegnerischen Torlinie näher“ heißt, dass der Spieler nach Ansicht des Schiedsrichters mindestens eine Körperlänge näher ist als der Ball und der letzte gegnerische Feldspieler.


    Auslegung: Eine „unabsichtliche Abseitsstellung“ liegt vor, wenn sich der Stürmer weniger als ca. 3 Sekunden vor der Ballabgabe in dieser befindet und sich der letzte gegnerische Feldspieler von der Torlinie wegbewegt.
    .....................................


    Der SR würde bei knappen Situationen immer weiterlaufen lassen und die Abseitsfalle wäre abgeschafft. Damit könnte man leben.


    Der Vorteile wäre, dass sich das taktische Verhalten der Abwehr in einer für den Zuschauer attraktiveren Weise ändern würde: Keine Abseitsfalle und im Zweifel immer dem Ball bzw. Stürmer hinterherrennen. Dann würden knappe Abseitsstellungen dem Stürmer auch keinen entscheidenden Vorteil bringen.


    Wir SR hätten es leichter und die Videobeweis-Befürworter hätten ein Argument weniger.


    Dies einfach mal zu nachdenken und konstruktiv diskutieren.

  • Mit Videobeweis und Chip im Ball kann man in den obersten Ligen leben, aber in den Betonligen?
    Für mich gehört Abseits ganz abgeschaft, dann wäre mehr als 50% der Diskussion weg!
    In der Halle klappt das doch ganz gut, warum sollte es im Freien anders sein?

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Das Abseits hat schon seinen Sinn. Denn ohne Abseits würden die Spieler nur vor dem Tor stehen und auf lange Bälle warten. Dann würde kein Spiel zu Stande kommen.

  • ...und auf dem Kleinfeld gehts ja auch ohne Abseits.

  • ....und da lungern auch keine einsamen Stürmer vor Gegners Tor rum!

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Und wenn, dann hat die Abwehr was falsch gemacht.

  • Ich habe die Abseitsregel noch kennengelernt, als gleiche Höhe noch Abseits war und ein reiner Aufenthalt im Abseits für den Pfiff ausreichend war. Die Regel war damit vielleicht klarer, aber auch nicht signifikant leichter anzuwenden, denn gerade bei knappen Entscheidungen wird das immer schwierig sein und bleiben.


    Wenn mich an der heutigen Form der Abseitsregel etwas stört, dann ist es die Sache mit dem Eingriff ins Spiel/der Spielbeenflussung, die für meine Begriffe zu eng ausgelegt wird. Ich empfinde es schon als beeinflussend, wenn sich ein Verteidiger zwischen zwei Angreifern entscheiden muss, die Lehrmeinung ist aber nun einmal anders.

  • Man könnte die Abseitsregel auch etwas lockerer gestalten, indem nicht nur ein Körperteil, sondern der gesamte Körper im Abseits sein muss.
    Das wäre keine große Umgewöhnung und es gäbe weniger Abseits.

  • Das würde aber an der Problematik nichts ändern. Denn dann würden die Fernsehsender die Linie eben nicht am vordersten sondern am hintersten Körperteil ziehen.
    Dann ist es nicht die Fußspitze, sondern die Ferse die den Ausschlag für Abseits oder nicht gibt.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Meinst du wirklich, dass hier ein halber Meter einen Unterschied macht?
    Für mich ist das eine Verlagerung des Problems um wenige Zentimeter. Das Problem selbst, die genaue Beurteilung, bleibt bestehen.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Also von diesen Videobeweisen und Chips im Ball halte ich überhaupt nichts.
    Diese machen nur den Fußball kaputt.
    Falsche Schiedsrichterentscheidungen gehören eben dazu, auch in den obersten Ligen. Und würde man diese tausend Sachen einführen, könnte man genau so einen 15 jährigen Jung-Schiedsrichter ins Stadion stellen, denn viel falsch könnte er denn nicht machen.

  • Zitat von NesteaSüchtiger;155317

    Und würde man diese tausend Sachen einführen, könnte man genau so einen 15 jährigen Jung-Schiedsrichter ins Stadion stellen, denn viel falsch könnte er denn nicht machen.



    Vorsicht mit solchen Aussagen, einige im Forum könnten sich berufen fühlen...



    btt:


    Schafft das "passive Abseits" ab. Sobald einer im Abseits steht, die Fahne hoch und Ende. Dann fällt auch diese ewige Diskussion mit "Behinderung des Torhüters" usw. endlich weg. Abseits ist Abseits, egal ob der Stürmer eingreift oder einen Wadenkrampf simuliert.
    Gerade in Klassen ohne Gespann würde das die Arbeit der SR enorm erleichtern. Knappe Entscheidungen wird es immer geben, viele Spieler haben dafür Verständnis, und für die anderen gibt es ein rezeptfreies Medikament: :gelbe_karte:.


    Die Meckerei tut dann ihr übriges für die Zunahme von Diskussionen um Abseitsentscheidungen. Besonders in unserer Betonliga "Kreisliga D" ist das ganz fürchterlich: Meistens reißt dann nämlich der Libero der angreifenden Mannschaft den Hals bis an die Mandeln auf:


    "Ey Schiri, das war nie und nimmer Abseits!!"


    Sagt dann der Spieler, der 70 Meter hinter der Aktion stand und so weit wahrscheinlich morgens um 11 Uhr noch gar nicht klar schauen kann...

    :hsv1: IN DUBIO PRO RAUTE! :hsv1:


    25.05.1983 - Die Helden von Athen:


    Uli Stein - Bernd Wehmeyer, Holger Hieronymus, Dietmar Jakobs, Manfred Kaltz - Wolfgang Rolff, Jürgen Groh, Felix Magath, Jürgen Milewski - Horst Hrubesch, Lars Bastrup (ab 61. Min. Thomas von Heesen)


    Trainer: Ernst Happel



    Nicht selten sind wir nach dem Spiel so richtig deprimiert,
    wir freuen uns schon wenn unser Team zumindest nicht verliert.
    Es ist schwer - wir sind Fans vom HSV!

  • Zitat

    Meinst du wirklich, dass hier ein halber Meter einen Unterschied macht?
    Für mich ist das eine Verlagerung des Problems um wenige Zentimeter. Das Problem selbst, die genaue Beurteilung, bleibt bestehen.


    Ja, weil: Wenn ca. ein halber Meter Vorsprung kein Abseits ist, dann hat der Stürmer einen leichten Vorteil und für die Abwehr wäre es zu riskant auf Abseits zu spielen.


    Eine schwammige Definition, der Abseitslinie, die den Stürmer auch noch leicht bevorteilt, soll ja die Abwehrspieler motivieren eben nicht auf Abseits zu spielen, sondern aktiv zu verteidigen. Dann gibt es weniger oder gar kaum wirkliche Abseitssituationen mehr.


    Worauf ich auch als Zuschauer verzichten kann, ist die Abseitsfalle und Abwehrspieler, die stehen bleiben und die Hand hoch halten. Die Regeln müssen so angepasst werden, dass eben genau diese Situationen für die Abwehr nur Nachteile bringt.


    Die "Rückpassregel" hat auch einschneidende taktische Änderungen im Defensivverhalten gebracht, die das Spiel attraktiver machte und die heute keiner mehr vermisst.

  • Wenn überhaupt eine Änderung der Abseitsregel, dann aber sinnvoll, konsequent, handhabbar und zurück zu den Wurzeln ...


    Wie und warum ist Abseits entstanden? Um zu verhindern, dass sich ein Stürmer vor dem Tor positioniert und da herumlungert, bis ein Ball zu ihm kommt und er selbigen ins Tor befördern kann. Also: Lasst und die verdammte Abseitsregel ganz streichen und die Unsportlichkeit erweitern, d.h., wer sich durch seine Positionierung ohne aktive Spielteilnahme einen Vorteil zu verschaffen sucht, handelt unsportlich - fertig. Damit dürfte der Stürmer, der einfach schneller ist und heute nur deshalb, weil er einfach einen Schritt zu früh gestartet ist und deshalb im Abseits stand, künftig seine Aktion weiter ausführen, während das reine warten auf eine Chance sogar härter bestraft würde, weil die Unsportlichkeit eine Verwarnung nach sich zöge; die Attraktivität des Spiels könnte damit durchaus steigen. Natürlich ist auch dann der SR gefordert und es kann Diskussionen darüber geben, ob sich ein Spieler nun aktiv am Spielgeschehen beteiligt oder nicht, dafür fielen aber die unseligen Diskussionen darüber weg, ob ein Spieler nun beim Abspiel (knapp) im Abseits war oder nicht.

  • Ich habe viele Spiele auf Kleinfeld und in der Halle geleitet, wo es Abseits nicht gibt. Ich habe nie erlebt, dass ein Stürmer allein in der anderen Hälfte stand. Da sind immer ein- zwei Abwehrspieler dabei.
    Wenn man heute dieses Gelabere im TV mit irgendwelchen Linien, kleinen und großen Zehen, die da vielleicht noch darüber gewesen sein könnten, oder nicht, hört, kotzt mich das an! Hier geht es doch nur um eines, dem SR einen "Fehler" anzuhängen! Dann sitzen am Sonntag selbsternannte Experten am Münchner Flughafen und streiten nach der 10 Zeitlupe immer noch, ob oder ob nicht Abseits!
    Für gehört Abseits weg und es wird sich, ausser, dass da nicht mehr reklamiert werden kann, nichts ändern!

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Nette Ideen werden hier sicher zusammengetragen. Besser als die derzeitige finde ich aber keine.


    Zitat von Manfred;155349

    Also: Lasst und die verdammte Abseitsregel ganz streichen und die Unsportlichkeit erweitern, d.h., wer sich durch seine Positionierung ohne aktive Spielteilnahme einen Vorteil zu verschaffen sucht, handelt unsportlich - fertig.


    Eine solche Regel würde den Fußball derart massiv verändern (schließlich geht es ja immer um dieses "Spielen ohne Ball"), dass er - aus meiner Sicht nicht mehr der gute, alte wäre ;)
    Die Diskussionen würden dadurch meines Erachtens noch viel größer werden.
    Praktisch als SR alleine aus meiner Sicht außerdem ähnlich schwierig: Wieder hätte man das Problem, dass der Stürmer im Rücken da herumlungern kann.

  • Würde es das wirklich? Der Fußball heute ist nicht mehr der Fußball, wie er zu Zeiten der Einführung der Abseitsregel gespielt wurde. Und wie schon in der Diskussion richtig angemerkt, gibt es schon heute Varianten (Halle, Kleinfeld), die ohne Abseits auskommen - wirklich zwingend ist es also nicht. Allerdings kann es heute passieren, dass ein Stürmer eben an der Mittellinie auf besseres Wetter äh einen Ball wartet - auch dies wäre nach meinem Vorschlag nur noch bedingt möglich. Mir ging es vor allem darum, aus diesem knappen und unseligen Entscheidungen herauszukommen und das Spiel trotzdem attraktiv zu halten. Übrigens macht gerade ein gutes Spiel ohne Ball - man nennt es auch taktisches Stellungsspiel, anbieten usw. - ein attraktives und wirkungsvolles Spiel aus. Wurde nicht die Rückpassregel eingeführt, um die unselige Hin- und Rückpässe Torwart <-> Verteidiger abzuschaffen. Und was hat man nicht noch alles versucht, um das Spiel zu beschleunigen und mehr Tore zu haben? Mein Vorschlag böte die Möglichkeit, dass es sich für einen Stürmer wieder lohnt, konditionell besser zu sein als der Verteidiger, eben gerade weil es mehr lange Pässe geben könnte. Zweifellos wären mehr Tore die Folge, gerade bei vielen Steilpässen - aber sind Tore nicht gerade das Salz in der Fußballsuppe?

  • Das Argument, dass es in der Halle/auf dem Kleinfeld auch ohne Abseits funktionieren würde, ist doch schwammig. In der Halle/auf dem Kleinfeld ist man binnen weniger Sekunden ohnehin wieder hinten, deswegen kann man da auf Abseits verzichten. Auf einem normalen Feld aber braucht man schon länger; hier entstehen freie Flächen auf dem Platz.

  • Genau, ich meine ja auch, dass das "Spiel ohne Ball" sehr wichtig ist. Darunter zähle ich aber auch ein mögliches Warten vorne, und das sollte für mich niemals unsportlich sein.


    Zitat von Manfred;155380

    Zweifellos wären mehr Tore die Folge, gerade bei vielen Steilpässen - aber sind Tore nicht gerade das Salz in der Fußballsuppe?


    Die Begründung für Änderungen lautete ja schon mehrmals "dann fallen mehr Tore". Dass dies den Fußball ausmacht, bzw. ihn verbessert, teile ich aber nur bedingt.
    Zumindest für mich ist er auch deshalb so interessant, weil ein einziges Tor so viel bedeuten kann, aber nicht immer verdient sein muss.
    Diesen Charakter des Spiels - ein entscheidender, folgenreicher Fehler in 90 Minuten kann den Unterschied ausmachen -, halte ich für sehr wichtig.